Mit den neuen iPhones will Apple seine KI-Offensive befeuern. Ausgerechnet das wichtigste Feature ist noch gar nicht bereit. Und könnte in Deutschland noch länger nicht erscheinen.
Es war das große Thema des Abends: Immer wieder betonte Apple bei der Vorstellung des iPhone 16 (hier erfahren Sie mehr) und der Apple Watch Series 10, wie gut diese das aktuell wohl wichtigste Projekt des Konzerns unterstützen – die KI-Offensive Apple Intelligence. Als konkretes Verkaufsargument taugt diese allerdings noch nicht: Selbst in der Heimat USA müssen die Nutzer darauf warten. Ob sie in Deutschland erscheint, steht ohnehin noch in den Sternen.
Beides hat allerdings sehr unterschiedliche Gründe. In den USA und zahlreichen anderen Staaten sollen erste Features von Apple Intelligence zeitnah ausgerollt werden, andere wie die verbesserte Sprachassistentin Siri sollen schon laut Plan erst nächstes Jahr folgen. Hier muss Apple in erster Linie die durchaus ambitionierten Pläne so umsetzen, dass sie den hohen Ansprüchen des Konzerns genügen. Wann die KI nach Deutschland kommt, ist aber von einer anderen Frage abhängig: Nämlich davon, was die EU zu den Plänen sagt.
iPhone-Streit mit der EU
Die hat nämlich entschieden, Apple in ihrem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Digital Markets Act als sogenannten Gatekeeper zu bewerten. So bezeichnet die Richtlinie Unternehmen, die wegen ihrer Vormachtstellung in einem bestimmten Feld die Regeln setzen und Konkurrenten benachteiligen können – auch wenn sie es nicht zwingend tun. Im konkreten Fall geht es um Apples Betriebssystem iOS: Da alle iPhones mit dem System laufen, sieht die EU Apple als Gatekeeper. Und verpflichtet den Konzern deshalb, sein System für die Konkurrenten zu öffnen. Als Folge bietet Apple etwa seit dem Frühjahr die Option, Apps auch aus anderen Quellen als dem App Store zu installieren. Aber nur in Europa.
Auch bei Apple Intelligence scheint man nun eine solche Entscheidung zu befürchten. Weil die KI-Features tief ins System verbaut sind, müsste Apple sie grundlegend umbauen, falls die EU eine Freigabe für Konkurrenten fordern würde. Falls das überhaupt umsetzbar ist. Apples aktueller Schluss: Man werde Apple Intelligence vorerst nicht in EU-Staaten anbieten, erklärte der Konzern. Zumindest so lange nicht, bis man sich mit der EU einigen kann.
Apple Intelligence: Der nächste große Schritt
Für die Kunden ist das ärgerlich. Apple Intelligence erweitert die Möglichkeiten des iPhones drastisch, und das in vielerlei Hinsicht. Die KI kann etwa Emails zusammenfassen, Objekte aus Bildern entfernen, selbst Bilder erstellen, komplette Mails verfassen oder umschreiben und sogar eigene Emoji entwerfen – alles auf Knopfdruck. Vor allem soll sie die Sprachassistentin Siri in bisher nicht gekannten Maße smarter und nützlicher machen. Glaubt man Apple, dürfte sich die Nutzung des iPhones dadurch drastisch verändern – und unzählige nervige Kleinaufgaben einfach dem Gerät überlassen.
Wann es soweit ist, ist allerdings noch offen – auch außerhalb der EU. Die ersten Funktionen sollen zwar schon dieses Jahr ausrollen, allerdings nur für englischsprachige Nutzer in ausgewählten Ländern. Welche Funktionen aber wann kommen, verrät Apple bislang nicht. Glaubt man der Gerüchteküche, wurden einige Features bereits nach hinten geschoben.
Das dürfte auch an der durchaus sehr komplexen Umsetzung liegen. Auch wenn Apple seine KI als ein Paket verkauft, stecken hinter Apple Intelligence eigentlich unzählige unterschiedliche KI-Programme. Gemeinsam haben sie vor allem den Ansatz: So viel wie möglich wird auf den Geräten selbst berechnet, was in die Cloud verlagert werden muss, soll nicht nach Nutzerdaten ausgewertet werden. Apple will so KI-Features und Privatsphäre miteinander kompatibel machen.
Untypisches Vorgehen
In der Praxis bedeutet es allerdings, dass Apple eben nicht eines, sondern Dutzende KI-Programme nach diesem Prinzip entwickeln muss. Schließlich sind Texterstellung oder Fotobearbeitung völlig verschiedene Anwendungen, die auch unterschiedliche Lernprozesse verlangen – und entsprechend auch nicht unbedingt gleichzeitig marktreif sind. Die KI als ein Paket anzukündigen, das erst langsam ausgerollt wird, widerspricht eigentlich Apples Ansatz, einmal im Jahr große Software-Updates zu liefern. In diesem Fall ermöglicht es aber, die einzelnen KI-Funktionen immer dann auf die Geräte zu bringen, wenn sie fertig sind. Und es lieber richtig zu machen.
Auch bei den unterstützten Sprachen lässt der Konzern sich Zeit. Erste englische Sprachvarianten wie Australisches Englisch sollen noch vor Ende des Jahres folgen, andere Sprachen im Laufe des nächsten Jahres Folgen. Explizit nennt Apple etwa Spanisch, Chinesisch oder Französisch. Deutsch wurde bislang nicht genannt – aber auch nicht explizit ausgeschlossen.
Warten auf die Einigung
Für die deutschen Kunden bedeutet das vor allem – Warten. Einerseits darauf, ob und wann Apple auch eine deutsche Variante seiner KI-Offensive anbietet – wofür immerhin spricht, dass die Schweiz als Nicht-EU-Land ebenfalls auf die Funktionen wartet. Andererseits aber auch darauf, ob sich der Konzern mit der EU einigen kann.
Gerüchten, dass Apple sich bewusst gegen eine Einführung in Europa entscheidet, um der EU einen Warnschuss zu geben, muss man vermutlich nicht allzu viel Glauben schenken. Am Ende geht es Apple darum, Geld zu verdienen. Und die KI-Features dürften im wichtigen europäischen Markt deutlich mehr Gewinn versprechen, als eine bockige Verweigerungshaltung gegenüber der EU.