In Grönland kann man auf dem Unesco-Welterbepfad zum Eisfjord und zu Drehorten einer Netflix-Serie wandern. Zu Besuch in den Orten Ilulissat, Ilimanaq und der Hauptstadt Nuuk.
Ilulissat ist ein magischer Ort. „Wenn ich bei der Zionskirche auf einem Felsen nahe am Wasser sitze“, sagt die Grönländerin Laali Berthelsen, „fühle ich mich hier zu Hause. Dann rieche ich förmlich das Eis„. Bis zum Horizont treiben große und kleine Eisberge, die sich in der Strömung bewegen, sieht man ihnen nur lange genug zu.
Es handelt sich genau um jene Stelle in Ilulissat, 300 Kilometer nördlich des Polarkreises, an der für die vierte Staffel der dänischen Netflix-Serie „Borgen“ 2022 die Gin-Tonic-Szene gedreht wurde: Die Protagonisten Emmy und Asgar chillen am Ufer und stoßen mit jahrhundertealtem Gletschereis im Glas an, das sie zuvor aus dem Meer gefischt haben.
Die größten Eisberge außerhalb der Antarktis
Die Masse an Eisbergen wirkt anziehend, besonders in der kurzen Sommersaison kommen Touristen in den früher Jacobshavn genannten Ort in der Discobucht. Seit 20 Jahren steht der Ilulissat Eisfjord auf der Welterbeliste der Unesco, denn nirgendwo lässt sich das natürliche Eisberg-Spektakel in Grönland eindrucksvoller beobachten.
„Die Discobucht hat die höchste Anzahl von Eisbergen pro Quadrateinheit der Welt“, schreibt der Schriftsteller Peter Høeg in seinem Bestseller „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. Die letzten beiden Winter hat sich der Gletscher bei Jacobshavn 40 Meter am Tag bewegt. Das Ergebnis sind die größten Eisberge außerhalb der Antarktis.
Aber die Gletscherzunge des höchst produktiven Sermeq Kujalleq hat sich längst aus der Sichtweite des Ortes in die Tiefe des Fjordes zurückgezogen, allein zwölf Kilometer in nur drei Jahren. Gespeist wird der Gletscher von dem mehr als drei Kilometer dicken Inlandeis Grönlands. Eismassen von 46 Kubikkilometern brechen pro Jahr von seiner Kalbungsfront ab und treiben in den Nordatlantik. Auch der Eisberg, der der „Titanic“ 1912 zum Verhängnis wurde, soll hier seinen Ursprung genommen haben.
Entschleunigung beim Iceberg Watching
Drei Wanderwege führen aus dem Ort zum Ufer des Eisfjords, um das Driften der Eisriesen besser beobachten zu können. Doch Vorsicht ist geboten: „Extreme danger – do not walk on the beach“, heißt es auf Schildern. Jederzeit können Tsunamis auftreten, die durch abbrechendes Eis oder kippende Eisberge verursacht werden.
Auf den hohen Klippen von Nakkaavik lässt sich aus sicherer Entfernung das Naturschauspiel erleben. Wer lange genug auf die im Wasser schwimmende Eiswelt schaut, bemerkt die unterschiedlichen Bewegungen der frostigen Formationen, wie Wind und Gezeiten Richtung und Geschwindigkeit oder besser die Langsamkeit des Driftens beeinflussen.
Es ist auch ein Rausch der Farben, je nach Sonnenlicht, Regenschauern oder Schneefall. Je älter das Eis, desto blauer schimmert es. Es kann wie gehämmertes Silber metallisch in der Sonne glänzen oder von Moränenschutt schwarz bedeckt sein. Manch frische Abspaltungen sind noch kantig, andere durch das Abtauen längst abgerundet.
Unberührt wirkt die Natur am Rande des Eisfjords. Doch die Regungslosigkeit ist nur scheinbar. Plötzlich wird die Stille durch einen Knall unterbrochen, dem Geräusch reißenden Eises. Am dramatischsten wird es, wenn sich durch das Abschmelzen ein haushoher Eisberg unerwartet zu drehen beginnt. In minutenlanger Zeitlupe wechselt die riesige Skulptur die Lage: Der sichtbare Teil wälzt sich schwerfällig auf die Seite, kippt in die Tiefe, und der unsichtbare viel größere Unterwasserteil kommt an die Oberfläche – der Eisberg findet sein neues Gleichgewicht.
Stundenlang könnte man auf einem Felsvorsprung am Eisfjord sitzen, wären da nicht Wind, Witterung und die kalte Abstrahlung des Eises, die gefühlt bis ins Knochenmark geht.
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