Der Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk steht mit seinem Onlinedienst X nicht nur in Brasilien unter Druck. Auch die Europäische Union hat eine umfangreiche „Akte X“ und prüft Strafen.
In den kommenden Wochen oder Monaten drohen Musk im Streit um das Verbreiten von Hassbotschaften und Falschinformationen über seine Plattform erstmals hohe Bußgelder. In Brasilien hatte der Oberste Gerichtshof Anfang September die gegen X verhängte Sperre bestätigt. Die von Musk beschworene absolute Meinungsfreiheit sei „keine Entschuldigung für wiederholte Verstöße gegen das Rechtssystem“, befand Richter Flavio Dino. Mehr als 22 Millionen Brasilianer können den Onlinedienst damit weiterhin nicht nutzen.
In der EU hat X 106 Millionen Nutzer – also rund fünfmal so viele wie in Brasilien. Damit ist Europa für Musk ein deutlich lukrativerer Markt für Werbung in seinem Netzwerk.
Musks Hauptkontrahent in Brüssel heißt Thierry Breton. Der amtierende Binnenmarktkommissar aus Frankreich wacht über die Einhaltung des Gesetzes für digitale Dienste (Digital Services Act – DSA). Gegen X hatte die Kommission bereits Ende 2023 eine Untersuchung unter dem DSA eingeleitet.
Das Gesetz schreibt großen Online-Plattformen unter anderem vor, Falschinformationen und „illegale Inhalte“ wie Terror-Verherrlichung oder Darstellungen sexueller Gewalt schneller zu löschen. Maßgeblich sind die Gesetze der Mitgliedsstaaten – so ist etwa in Deutschland das Verbreiten von Nazi-Propaganda tabu.
Zuletzt verwarnte Breton den Unternehmer Musk Mitte August, dem republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bei einem Auftritt auf X keine Falschaussagen durchgehen zu lassen. Musk reagierte mit einem beleidigenden Post, in dem er Breton aufrief, ihn in Ruhe zu lassen.
Elon Musks „X“ soll Authentizität vortäuschen
Daneben beanstandet die Kommission weitere Dinge: X täusche seinen Nutzerinnen und Nutzern mit dem weiß-blauen Haken für Nutzerkonten vor, dass diese auch authentisch und überprüft seien – allerdings erhalte jeder zahlende Kunde den Haken. Auch wer hinter Werbung auf X stehe, sei oft nicht transparent.
Bisher hat die Kommission nicht abschließend über ihr Vorgehen gegen X entschieden. Mögliche Bußgelder könnten aber bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes umfassen, wenn Musk dem Brüsseler Druck nicht nachgibt. Der 53-Jährige will gegenüber der EU hart bleiben: „Wir freuen uns auf eine sehr öffentliche Schlacht vor Gericht“, erklärte er im Juli, als die EU-Kommission neue Vorwürfe bekanntmachte.
Trotz der aufgeheizten Stimmung geben sich manche in Brüssel zuversichtlich über eine Einigung mit Musk. „X arbeitet auch weiterhin mit der EU-Kommission zusammen und beantwortet Fragen“, sagt der Kommissionssprecher für Digitalfragen, Thomas Regnier.
Eine Sperrung von X wie in Brasilien gilt in Europa als eher unwahrscheinlich. Dabei hätte die EU-Kommission unter dem Digitalgesetz Instrumente dafür in der Hand. Brüssel könnte ein Gericht am europäischen Firmensitz von X in Irland anrufen, um eine befristete Sperre für die Plattform zu erwirken, solange das EU-Verfahren läuft.
„Natürlich können wir das nicht ausschließen, wir halten es aber für sehr unwahrscheinlich“, sagt Alexandre de Streel von der Denkfabrik Centre on Regulation in Europe (Zentrum für Regulierung in Europa, CERRE).
Jan Penfrat vom Netznutzer-Verband European Digital Rights (Europäische Digitalrechte, EDR) nennt eine Sperre eine „absolute Notlösung“. Die EU-Kommission müsse vorsichtig bei solchen Schritten sein, denn mit einer Sperre schränke sie den Zugang zu Informationen ein, warnt er. Musk und seine Anhänger könnten der EU dann „Zensur“ vorwerfen.