Bei einer Messerattacke am Hochrhein sterben drei Mitglieder einer Familie. Der Täter handelt laut Gericht mit „unbedingtem Vernichtungswillen“. Bestraft wird er aber nicht.
Bei einer Messerattacke sterben Ende März im äußersten Süden Deutschlands drei Mitglieder einer Familie – doch der 19-jährige Täter war laut Gerichtsurteil schuldunfähig und kann deshalb nicht bestraft werden. Er müsse nun dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, auch weil er für andere Menschen weiter gefährlich sei, entschied die Große Jugendkammer des Landgerichts in Waldshut-Tiengen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Deutsch-Italiener seine Eltern und seinen 34-jährigen Bruder mit einem Klappmesser angegriffen und getötet hatte. Die Schwester des Angeklagten erlitt bei dem blutigen Angriff in Hohentengen am Hochrhein (Kreis Waldshut) schwere, aber nicht lebensbedrohliche Stich- und Schnittverletzungen.
Wegen einer schizophrenen Erkrankung war der Angeklagte damals nicht in der Lage zu erkennen, dass er Unrecht tat, wie der Vorsitzende Richter Martin Hauser resümierte. Der 19-Jährige habe seine Eltern im Alter von 58 und 61 Jahren als Inkarnation des Bösen gesehen und mit „unbedingtem Vernichtungswillen“ gehandelt.
Richter: Wahnsystem immer noch vorhanden
Der Täter habe sich auf einer Mission im Kampf gegen das Böse gesehen. „Das ganze Wahnsystem ist immer noch vorhanden“, sagte Hauser. Solange es dieses System noch gebe, bestehe Gefahr für „Leib und Leben anderer Menschen“.
Der Beschuldigte war in dem sogenannten Sicherungsverfahren wegen Totschlags in drei Fällen und versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Richter Hauser sprach von einem Geschehen, das tragisch und verstörend sei.
Mit Handschellen in den Gerichtssaal
Der 19-Jährige räumte die Tat und deren Hergang bereits Anfang vergangener Woche im Wesentlichen ein. Er wurde mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Als Kameras von Medien liefen, hielt er sich ein Stück Pappe schützend vor das Gesicht. Die Urteilsverkündigung nahm er regungslos auf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden.
Hauser sagte, der Angeklagte habe bereits im Vorjahr halluzinatorische Wahrnehmungen gehabt. Einen direkten Zusammenhang von konsumierten Drogen und der festgestellten Psychose gebe es nicht.
Bereits vor der Tat Angriff auf Familie
Bereits einen Tag vor dem tödlichen Angriff sei es in der Wohnung der Familie im Hohentengener Ortsteil Lienheim zu einem handgreiflichen Streit gekommen. Der Angeklagte habe dem Bruder einen Schlag auf das Auge versetzt, die Eltern erlitten demnach Nasenbeinbrüche. Die Mutter rief die Polizei, doch der Angreifer blieb letztlich unbehelligt. „Es ist tragisch“, sagte Richter Hauser. „Hinterher ist man schlauer.“
Einen Tag später habe der Angeklagte zunächst seinen Bruder mit dem Messer angegriffen. Dann habe er die Eltern attackiert, die noch am Tatort starben. Der Bruder konnte fliehen, erlag aber kurze Zeit später seinen Verletzungen. Alle Opfer verbluteten, wie das Gericht mitteilte. Die Schwester habe den Angriff nur mit Glück überlebt.
Anordnung für Klinik unbefristet
„Das ist eine massive Beeinträchtigung für einen jungen Menschen“, bilanzierte Hauser mit Blick auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Anordnung des Gerichts dafür sei nicht befristet. Auch die Anklagebehörde hatte für die Unterbringung plädiert. Der 19-Jährige war bereits im April aus der Untersuchungshaft in eine psychiatrische Klinik gekommen. Das Gericht wandte Jugendstrafrecht an, weil es bei dem Beschuldigten eine sogenannte Reifeverzögerung feststellte.