Die Regisseurin Aelrun Goette wirft mit ihrem Film einen Blick auf die Modewelt der DDR – mit vielen schillernden Gestalten. Damit erzählt die Ostberlinerin auch ihre eigene Geschichte.
Die DDR, das war auch das Land der Träumer und Paradiesvögel, der Unangepassten und Kreativen. Diese Geschichte erzählt Regisseurin Aelrun Goette in ihrem Film-Drama „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ (Freitag, 20.15 Uhr, Arte). Die Staatsmacht versucht zu deckeln, die Flügel zu stutzen, Verrat anzuzetteln. Aber am Ende siegen eben nicht die SED und die Stasi, die grauen Gestalten und der Stumpfsinn, sondern der rebellische Geist.
Das ist alles nicht ganz neu, so viele Jahre nach dem Untergang des SED-Staats. Und der Film ist auch nicht ganz frei von Klischees – die Club-Cola ist schon in der ersten Szene alle. Trotzdem gelingt Goette eine interessante Geschichte – und das, weil die Regisseurin einen überraschenden Blick auf die Modewelt der DDR wirft, aber auch auf ihre eigene Biografie.
Ein Schnappschuss ändert alles
Darin steht die 18-jährige Suzie (Marlene Burow) im Frühjahr 1989 kurz vor dem Abitur. Sie will Literatur studieren, Schriftstellerin werden. Aber als sie mit dem verbotenen Buch „1984“ von George Orwell erwischt wird, ist es damit vorbei. Suzie muss in die sozialistische Produktion. Im Kabelwerk Oberspree tritt sie eine Ausbildung als Zerspanungsfacharbeiterin an – bohren, fräsen, schwere Maschinen.
Doch eines Morgens, als die schöne junge Frau auf dem Weg zur Arbeit durch das Fenster der Straßenbahn starrt, drückt draußen ein junger Mann auf den Auslöser seiner Kamera. Das Foto findet sich wenig später auf dem Cover der Modezeitschrift „Sibylle“ wieder – der „Vogue des Ostens“. Der Zufall öffnet für Suzie eine Tür zur „Sibylle“ und zur Modewelt der DDR – einer seltsamen Melange von Ambition, staatlicher Strenge und Planwirtschaft.
Eine Liebe führt zu Gewissensnöten
Die Fäden zieht die undurchsichtige Chefredakteurin Elsa Wilbrodt (Claudia Michelsen), die Suzie mal fördert, mal Druck aufbaut. Suzies Mentor aber wird der schwule Rudi (Sabin Tambrea), der bei „Sibylle“ mitwirkt, daneben aber vor allem das Leben feiert. Mit Freunden plant er eine Modeschau mit improvisierten Stücken aus Duschvorhängen und Kerzenwachs.
In der Gruppe ist auch Coyote (David Schütter), der Fotograf, der Suzie fotografiert hat. Er gilt als unbotmäßig, darf eigentlich nicht gedruckt werden, wuselt sich aber mit genialen Fotos doch irgendwie ins Blatt. Die junge Frau verliebt sich in den charmanten Kerl mit dem Motorrad, was allerdings in Verwicklungen und Gewissensnöte führt.
Regisseurin bedient sich an ihrer eigenen Biografie
Fast 14 Jahre arbeitete Goette nach eigenen Worten an dieser Geschichte und diesem Film. Geboren 1966 in Ostberlin ging sie selbst ohne Abitur von der Schule ab und wurde Krankenschwester. Und auch sie wurde in den 80er Jahren auf der Straße in Ostberlin als Mannequin entdeckt und war auf dem Cover der „Sibylle“. „Ich wollte etwas über die im Westen fast unbekannte und glamouröse Welt der Mode in DDR-Zeiten erzählen“, sagte die Regisseurin vor dem Kinostart des Films im Oktober 2022. „Ich habe gespürt, dass das Thema eine wunderbare Möglichkeit bietet, den Blick auf den Osten zu erweitern.“
Es habe in der Diktatur eben nicht nur Täter, Opfer und Zeitzeugen gegeben, sondern auch Menschen, die kraftvoll und wild gewesen seien. „Seit einiger Zeit wächst das Interesse, die Schablonen, die sich über den Osten gelegt haben, zu hinterfragen“, meinte Goette.
Prophetische Worte zum Abschluss
Der Film endet mit spektakulären Bildern von der alternativen Modeschau und mit prophetischen Worten von Rudi, der zwischendurch heftig mit der Staatsmacht aneinander geraten ist. Ob er nicht auch in den Westen wolle, wie so viele im Sommer 1989, fragt Suzie. Und er: „Entweder du bist frei, dann bist du es überall. Oder du bist es nicht, dann nützt dir auch der Westen nichts.“