Patrick Esume: Wie NFL-Teams tricksen, um die Gehaltsobergrenzen einzuhalten

American Football wird auch in Deutschland immer beliebter. Vor dem Start in die neue NFL-Saison blickt Experte Patrick Esume auf die Favoriten und erklärt das Geschäftsmodell der Liga.

Disclaimer Capital

Capital: Herr Esume, die amerikanische Footballliga, die NFL, startet am Freitag in die neue Saison. Wer ist Ihr Favorit in diesem Jahr?
PATRICK ESUME: Auch auf die Gefahr hin, dass das erwartbar klingt – aber es sind wieder die Kansas City Chiefs. Sie haben mit Patrick Mahomes den besten Quarterback in der Liga, was in diesem Sport einfach entscheidend ist.

Die Chiefs haben drei der letzten fünf Super Bowls gewonnen. Droht da nicht Langeweile aufzukommen – etwas, was so gar nicht zum Geschäftsmodell der NFL passt?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben eine Situation, die wir normalerweise nur alle 20 Jahre haben: ein dominanter Spieler, Patrick Mahomes, mit einem dominanten Headcoach, Andy Reid. Das ist nicht die Norm, und langweilig finde ich das auch nicht. Andere Teams haben sich genau deswegen massiv verstärkt und sind in der Breite vielleicht sogar stärker.

Die NFL sorgt bei den Drafts dafür, dass die besten College-Spieler an die schwächsten Teams des Vorjahres gehen. So will man die Dominanz der starken Teams brechen und letztlich Eintönigkeit vorbeugen. Funktioniert das noch mit Blick auf die Chiefs?
Die Drafts sind nur eine Sache. Für wichtiger halte ich die Gehaltsobergrenze, die von der NFL festgelegt wird. Da ist die wirtschaftliche Performance so richtig entscheidend. Einige Teams sind sehr clever, wie sie die Verträge gestalten, zum Beispiel die Chiefs. Da gibt es sehr unterschiedliche Ansätze.

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Wie sieht denn ein cleveres Teammanagement in der NFL aus? Und wie unterscheidet sich das von der normalen Wirtschaft?
Es ist ein wenig wie in der Finanzwelt. Du kümmerst dich am stärksten um deine Top-Assets – heißt: um den Quarterback, bei den Chiefs also um Patrick Mahomes. Dann kommt die Offensive Line, denn die beschützt dein Top-Asset. Und von da geht’s weiter in die Tiefe. Vor allem der Corner Back ist noch entscheidend, weil er den gegnerischen Quarterback verteidigt. Das sind die Schlüsselpositionen, und das weiß auch jeder. Die Kunst liegt dann in der Struktur der Verträge. Denn mit jedem Erfolg wird es schwerer, die Gehaltsobergrenze einzuhalten.

Weil die Spieler an Marktwert gewinnen und größere Verträge aushandeln können.
Ganz genau. Einerseits will man seine erfolgreiche Mannschaft zusammenhalten, andererseits steigen die Gehälter. Da ist dann Kreativität gefragt – zum Beispiel durch Verträge, die man backloaded.

Backloaded?
Damit ist das Verschieben von großen Einkommen in die Zukunft gemeint. Wenn irgendwo geschrieben steht, dass ein Spieler 500 Mio. Euro über zehn Jahre verdient, dann bekommt er einen großen Teil der Summe erst in den letzten ein oder zwei Jahren. Die Frage, wie ich das Gehalt über den Vertrag strecke, ist beinahe eine Kunst.

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Viele Ökonomen lieben den Baseball-Film Moneyball. Dort verpflichten die Oakland Athletics neue Spieler erfolgreich nach Leistungsdaten und nicht nach dem menschlichen Auge. Lässt sich dieses Prinzip auch auf die NFL übertragen?
Nein, das ist schon anders. In der NFL entscheidet sich vieles schon beim Draft. Wer hier die besten Spieler in seinem Budget unterbekommt, wird langfristig erfolgreich sein. Das ist beim Baseball schon etwas anders, wo der Sport auch sehr viel weniger von Glück, Verletzungen usw. geprägt ist. Das Spiel besteht aus recht kalkulierbaren Abläufen, anders als beim American Football.

Ein Weg, um die Gehaltsobergrenze nicht zu reißen, ist es, die Gehaltsobergrenze weiter nach oben zu setzen. Hierfür muss die NFL aber als Ganzes mehr Umsatz erzielen. In den vergangenen Jahren ist das gut gelungen. Innerhalb der USA gibt es jetzt Anzeichen, dass das Wachstum endlich sein könnte. Sehen Sie das auch so?
Die NFL ist und bleibt die Nummer eins in den USA – und zwar mit großem Abstand. Basketball und Baseball haben zu viele Spiele, so dass ein einzelnes Spiel nur wenig Bedeutung hat. Das ist in der NFL ganz anders. Nichtsdestotrotz glaube ich auch, dass der Markt in den USA weitestgehend gesättigt ist. Deshalb sehen wir ja, dass die NFL in andere Weltregionen expandiert, nicht zuletzt nach Deutschland. Das Wachstum ist wahnsinnig, und es ist noch einiges möglich.

Deutschland ist sogar der zweitgrößte Markt für die NFL und von den Zahlen her vergleichbar mit einem kleinen, schnell wachsenden Start-up. Daher die klassische Start-up-Frage: Drohen der NFL in Deutschland nicht etwa Wachstumsschmerzen?
Ich würde die NFL nicht mit einem Start-up vergleichen. Die NFL hatte genügend Probezeit, zum Beispiel mit der NFL Europe vor einigen Jahren. Daraus hat sie gelernt und es fehlt ihr im Gegensatz zu Start-ups auch wahrlich nicht an Kapital, um das Produkt groß und glanzvoll zu machen. Dass sie den Glamourfaktor bereits ins Ausland transportieren konnte, ist beachtlich. Das schafft man als Start-up nicht, denn dafür braucht es Vorlauf, Kapital und Medienpower.

Was kann die NFL denn tun, um das Produkt in Deutschland noch größer zu machen? Viele Menschen waren jetzt schon genervt, wie stark die NFL überall beworben wurde.
Die NFL muss noch lokaler werden. Aktuell haben zehn Teams Marketingrechte in Deutschland, was ganz schön viel ist. Einige Teams nutzen diese Rechte aber überhaupt nicht.Und das darf nicht passieren. Teams mit Marketingrechten haben die klare Aufgabe, die Länder lokal zu erschließen. Das heißt: Aktionen außerhalb der Spiele, Flag Football, lokale Inhalte kreieren und vieles mehr. Da liegt noch unglaubliches Potenzial drin.

Ihr eigenes europäisches Football-Projekt, die European League of Football (ELF), wächst ebenfalls rasant. Beim Endspiel am 20. September werden Sie die Arena auf Schalke komplett füllen. Wie relevant sind solche Events für die Gesamtperformance?
Zuschauerzahlen sind schon eine sehr wichtige Metrik für uns. Wahrscheinlich die wichtigste. Ansonsten schauen wir vor allem auf Einschaltquoten, wo wir – gemessen am schwierigen Umfeld durch die EM und Olympia – auch gut performt haben.

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