Erstmals ist die AfD in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. Rechtsaußen Björn Höcke lädt zu Gesprächen ein. Chancen auf Regierungsmacht hat ein anderer. Für Mario Voigt wird es nicht leicht.
Rechtsruck in Thüringen: Die AfD mit ihrem Chef Björn Höcke hat die Landtagswahl im Freistaat gewonnen, aber kaum Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Der 52-jährige Höcke kündigte in Erfurt dennoch an, er wolle mit den anderen Parteien über mögliche Koalitionen ins Gespräch kommen. Es sei gute parlamentarische Tradition, dass die stärkste Kraft nach einer Wahl zu Gesprächen einlade.
„Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die AfD kam bei der Landtagswahl nach ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF auf 30,8 bis 33,1 Prozent. Es ist das erste Mal, dass die AfD in einem Bundesland bei einer Wahl stärkste Kraft geworden ist“, sagte Höcke.
Land vor dem Regierungswechsel
Keine der in den Landtag in Erfurt gewählten Parteien will aber mit der AfD koalieren. So wird Höcke wohl auch in der neuen Legislaturperiode mit seiner vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Partei isoliert dastehen.
Dennoch zeichnet sich ein Regierungswechsel und ein Ende der rot-rot-grünen Koalition von Bodo Ramelow (Linke) ab. Hoffnungen auf einen Einzug in die Staatskanzlei kann sich Thüringens CDU-Chef Mario Voigt machen, dessen Christdemokraten laut Hochrechnungen mit 24,5 Prozent auf Platz zwei landen.
Damit laufen sie vor dem neu gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ins Ziel ein. Das BSW kann auf einen großen Wahlerfolg blicken, das prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und BSW blieb aber aus, denn die CDU schnitt besser ab als vor dem Wahlsonntag prognostiziert, das BSW dagegen laut Hochrechnungen mit 14,7 bis 15,8 Prozent schlechter.
Voigt will Gespräche führen
Voigt sagte, seine Partei begreife das Ergebnis „als Chance für den politischen Wechsel unter der Führung der CDU“. Er wolle nun Gespräche führen, damit es in Thüringen eine vernünftige Regierung unter der Führung der CDU gebe. Er kündigte an, auf die SPD und deren Spitzenkandidaten Georg Maier zugehen zu wollen.
Die Linke des noch amtierenden Ministerpräsidenten Ramelow rutscht auf 11,7 bis 12,4 Prozent ab, das ist im Vergleich zu 2019 nur noch halb so viel. Die Grünen als bisheriger Koalitionspartner fliegen laut Hochrechnung mit vier Prozent sogar aus dem Landtag. Auch die FDP von Ex-Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich, die laut ARD auf 1,2 Prozent kommt, wird wohl nicht mehr im Parlament sein.
Die Kanzlerpartei SPD schrammt mit 6,6 bis 7,0 Prozent noch einmal an der Fünf-Prozent-Hürde vorbei und hat dennoch gute Chancen, damit erneut Partner einer Landesregierung zu sein. Im Thüringer Landtag werden wohl künftig fünf statt bisher sechs Parteien vertreten sein.
Schwierige Regierungsbildung erwartet
Für das Land zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab. Anders als vor fünf Jahren könnte es zwar eine politisch machbare Koalition mit einer eigenen Mehrheit im Parlament geben, doch CDU, BSW und SPD als potenzielle Partner liegen inhaltlich teils weit auseinander.
Zudem wäre es eine bisher nie dagewesene Konstellation, ein Testfeld. Gerade innerhalb der CDU gibt es Vorbehalte gegenüber der Partei der früheren Kommunistin Sahra Wagenknecht, zumal die 55-Jährige bereits vor der Wahl Bedingungen stellte, etwa beim Thema Krieg und Frieden.
Diese Forderungen bekräftigte Wagenknecht am Wahlabend. Viele Menschen bewege das Thema Frieden zutiefst und sie lehnten es ab, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, sagte sie bei einer Wahlparty in Erfurt. Eine Landesregierung müsse diesen Wunsch der Menschen berücksichtigen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen.
Wagenknecht lehnt Koalition mit Höcke ab
„Wenn Krieg kommt, braucht man doch über Bürokratieabbau nicht mehr zu reden“, sagte Wagenknecht. Dann gebe es größere Sorgen. „Wir werden Sie nicht enttäuschen, wir machen was draus“, rief Wagenknecht. Sie hoffe, dass auch bei der CDU angekommen sei, dass sich etwas ändern müsse.
Eine Koalition mit der Höcke-AfD lehnte sie erneut ab. „Höcke vertritt ein völkisches Weltbild, das ist also meilenweit von uns entfernt“, sagte Wagenknecht in der ARD. „Wir haben immer gesagt, mit Herrn Höcke können wir nicht zusammenarbeiten.“