Der große Umbruch, die neuen Spieler, das neue System: Das alles lässt Dortmunds Nuri Sahin nach dem 0:0 in Bremen nicht als Erklärung gelten. Der neue Trainer hat hohe Ansprüche – und sagt das klar.
Das Spiel in Bremen war noch keine zehn Minuten alt, da riss Nuri Sahin seine beiden Arme zum ersten Mal verärgert in die Höhe. Und an diesem Gefühl sollte sich bis zum Ende des Tages nicht mehr viel ändern.
Borussia Dortmund ist in diesem Sommer mit einem neuen Trainer, einer neuen sportlichen Leitung, einem neuen Spielsystem und einem stark veränderten Kader in die Bundesliga-Saison gestartet. All das erfordert manchmal etwas Zeit und Geduld. Aber es war der neue BVB-Coach Sahin höchstselbst, der nichts davon als mildernden Umstand für das schwache 0:0 bei Werder Bremen durchgehen ließ.
„Als Borussia Dortmund müssen wir anders auftreten, auch wenn die Mannschaft Veränderungen hatte und einen neuen Trainer hat“, sagte der 35-Jährige. „Für uns ist dieser Punkt heute natürlich viel zu wenig.“
Anders als Terzic
Ob nun bewusst oder nicht: Sahin hat sich damit gleich nach drei Pflichtspielen der neuen Saison zum ersten Mal von seinem Vorgänger Edin Terzic abgegrenzt. Denn dem wurde trotz der Beinahe-Meisterschaft 2023 und dem Erreichen des Champions-League-Finals 2024 intern selbst von einigen Spielern vorgehalten, manchmal zu vorsichtig und taktisch gar „so unterwürfig“ (Mats Hummels) agiert zu haben.
Der vom Co- zum Cheftrainer beförderte Sahin lebte das geforderte Selbstverständnis in Bremen gleich einmal vor. Der personelle Neuaufbau, die veränderte Ausrichtung in einem 3-4-2-1-System: „Das ist ein Prozess, klar. Aber bei Borussia Dortmund muss dieser Prozess schneller gehen“, sagte er. „Es wäre eine sehr billige Ausrede, zu sagen, dass es an der Transferperiode lag.“
Die Dortmunder Neuausrichtung findet gerade auf mehreren Ebenen statt. Das hat der neue Sport-Geschäftsführer Lars Ricken an diesem Wochenende auch noch einmal in einem großen Interview der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt.
Ins Auge springen immer sofort die fünf Toptransfers, die der BVB für rund 80 Millionen Euro getätigt hat und von denen der deutsche Nationalstürmer Maximilian Beier in Bremen ein sehr unauffälliges Startelfdebüt gab. Genauso einschneidend ist aber, dass die Dortmunder ihren Kader massiv verkleinert haben, um jungen Spielern wie Jamie Gittens (20) oder Kjell Wätjen (18) mehr Einsatzzeiten zu ermöglichen.
In Bremen führte das nun zum ersten Mal zu einem Problem. Denn alle vier Abwehrspieler sahen schon früh eine Gelbe Karte und Sahin konnte mangels Alternativen auf der Bank nur einen von ihnen auswechseln. Nico Schlotterbeck blieb auf dem Feld, sah später Gelb-Rot (73.) – und die üblichen Verletzungen oder Sperren in einer langen Saison waren in diesem Szenario noch nicht einmal eingetreten.
Kader zu klein?
Bei diesem Thema stellte Sahin sich allerdings vor sein Team. „Wir haben viele Spieler, die variabel einsetzbar sind“, sagte er. „Ich sehe uns sehr gut gerüstet und arbeite auch sehr gerne mit einem kleineren Kader zusammen.“
An wem sich der BVB bei dieser Planung orientiert, verriet Lars Ricken: „Wir vergleichen so etwas selbstverständlich auch international“, sagte er in dem SZ-Interview. Mit Clubs wie Barcelona oder Benfica, „die es immer wieder schaffen, für einen Mix aus arrivierten Kräften und vielen sehr jungen Profis zu stehen, die die Zukunft prägen können und für den Club Werte schaffen.“
Die Ansprüche waren in Dortmund schon immer hoch. Unter Sahin und Ricken werden sie nun auch wieder klarer formuliert.