Wäre das Urteil zu einem versuchten Mord anders ausgefallen, wenn der Angeklagte alles richtig verstanden hätte? Der Bundesgerichtshof schließt das nicht aus. Jetzt wird neu verhandelt.
Vor dem Landgericht Karlsruhe hat im zweiten Anlauf ein Prozess gegen einen Mann wegen versuchten Mordes an seiner Frau begonnen. Das Gericht hatte ihn im März 2023 zu 13 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt.
Es sah es als erwiesen an, dass er im Juni 2022 in Pforzheim die Mutter der vier gemeinsamen Kinder vom Balkon ihrer Wohnung im vierten Stock gestoßen hat. Sie fiel auf den Balkon des darunter liegenden Stockwerks, wo er sie weiter geschlagen und gewürgt haben soll. Als Motiv nahm die Staatsanwaltschaft die Trennung des Opfers vom Ehemann an. Er habe die „Familienehre“ wiederherstellen wollen. Der Angeklagte hatte die Tat bestritten.
Angeklagter sah Verfahrensrechte verletzt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil im März dieses Jahres auf Rüge des Angeklagten auf: Er sieht einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, weil dem nur rudimentär Deutsch sprechenden Mann die Anklageschrift nicht schriftlich auf Türkisch vorlag. Ein Angeklagter könne auf ein Urteil nur dann hinreichend Einfluss nehmen, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt sei. Eine mündliche Übersetzung des Anklagesatzes genüge nur in Ausnahmefällen.
Der BGH schloss nicht aus, dass das Urteil auf einem Informationsdefizit des Angeklagten beruht. Dieser habe das Tatgeschehen in weiten Teilen abweichend vom Anklagevorwurf geschildert.
Bis Ende September sind laut Gericht sieben Verhandlungstage angesetzt. Es sind 20 Zeugen und 2 Sachverständige geladen.