Manchmal haben bereits Säuglinge Ohrlöcher. Was Eltern beim Ohrschmuck beachten sollten und wann das richtige Alter dafür ist.
„Papa, ich will auch Ohrringe!“ – so der Wunsch vieler Kinder, wenn sie ihre Freundin im Kindergarten oder der Schule mit den glänzenden Steckern sehen. Doch sollte der Wunsch auch schon bei kleinen Kindern erfüllt werden? Ohrlöcher schon bei Kleinkindern oder gar Säuglingen stechen zu lassen, davon rät Jakob Maske ab. Er ist Kinderarzt in Berlin und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. In der Praxis sieht der Kinderarzt allerdings auch Säuglinge unter einem Jahr, die bereits Ohrlöcher haben.
„Das Stechen von Ohrlöchern greift in die körperliche Unversehrtheit des Kindes ein. Empfehlenswert sind Ohrlöcher also erst bei Kindern, die das selbst für sich entscheiden können.“ Es sei wichtig, dass die Kinder so alt sind, dass sie verstehen können, dass die Prozedur selbst schmerzhaft sein kann und die Folgen abschätzen können. „Und das ist nicht bei einem Kind von vier Jahren der Fall, sondern vielleicht eher mit 14 oder 15 Jahren, wenn Kinder wirklich geschäftsfähige Entscheidungen für sich treffen können.“
Taschengeld: Kinder und Geld 15:51
Auch in Piercingstudios wird auf das Alter der Kinder geachtet: „Viele Piercingstudios setzen sich selbst eine Mindestaltersgrenze von 14 Jahren und verlangen die Einwilligung beider Eltern“, teilt der Deutsche Gesellschaft für Piercing (DGP) auf Anfrage des stern mit. Der Schutz des Kindes und die Wahrung seiner Integrität stehe hier an oberster Stelle.
Denn der vermeintlich kleine Piks ins Ohrläppchen birgt gewisse Risiken. Kinder können etwa auf Nickel in Ohrsteckern allergisch reagieren. In der EU gibt es Reglementierungen für den Einsatz von Nickel, die in der Chemikalienverordnung festgelegt werden. Auch für Erststecker bei Piercings gibt es in der EU Grenzwerte für Nickel. Jedoch zeigten Untersuchungen, etwa des Bundesamtes für Verbraucherschutz, in der Vergangenheit, dass die Grenzwerte häufig überschritten werden. Und die Allergie auf Nickel ist eine Kontaktallergie. Das heißt, der Körper reagiert im Kontakt mit dem Material. Es kann zu Juckreiz, Schwellungen, Rötungen, Schmerzen, Bläschen oder Papeln rund um die Kontaktstelle kommen.
PAID IV Magdalena Heinzl, 10.15
Ohrlöcher besser nicht bei Kleinkindern
Und das ist nicht alles. Die gestochenen Ohrlöcher sind kleine Wunden, durch die Krankheitserreger eindringen können, und die Wunde kann sich entzünden. „Entzündungen können auch immer aufsteigen und die Ohrläppchen sind sehr nah an der Gehirnregion, insofern müssen Eltern hier aufpassen, dass es nicht zu großen Entzündungen kommt“, warnt Jakob Maske im Gespräch mit dem stern. Ein weiteres Verletzungsrisiko besteht darin, dass sich kleine Kinder die Ohrringe ausreißen oder beim Spielen hängen bleiben und so ihr Ohrläppchen verletzen. „Wir sehen sehr häufig, dass die Ohrringe regelrecht im Ohrläppchen verschwinden. Und sie dann chirurgisch entfernt werden müssen“, berichtet der Kinderarzt.
Um das Risiko für Entzündungen zu minimieren, sollten Eltern darauf achten, dass es beim Stechen hygienisch zugeht. Also wird das benötigte Werkzeug sterilisiert, trägt das Personal Handschuhe, wird die Fläche desinfiziert und die Hautstelle. „Es ist sehr schwierig, eine Empfehlung auszusprechen, wo man sich am besten Ohrlöcher stechen lassen kann, weil es kein medizinischer Bereich ist. Ob Juwelier oder Piercingstudio – die hygienischen Bedingungen müssen passen“, sagt Maske. Wichtig sei zudem auch, dass sogenannte Gesundheitsstecker als erster Ohrring genutzt werden. Sie würden dafür sorgen, dass auch im Stichkanal die Heilung abläuft, so Jakob Maske. Es sollte auch über die richtige Nachsorge informiert werden.
Laut DGP lässt sich ein gutes Piercingstudio an folgenden Merkmalen erkennen:
Hygiene:
Es sollte sterile Einwegmaterialien und Instrumente verwenden.
Der Schmuck sollte steril verpackt sein und aus geeigneten Materialen, wie Titan sein.
Beratung:
Wer ein Ohrloch will, sollte verständlich über Risiken und die Nachsorge aufgeklärt werden.
Qualifikation:
Die Piercerinnen und Piercer sollten gut ausgebildet sein und Erfahrung haben.
Referenzen:
Die Bewertungen anderer Kunden können Aufschluss geben.
Eine gute Nachsorge ist wichtig
Ohrlöcher können mit einer Ohrlochpistole oder einer Nadel gestochen werden. Der DGP rät davon ab, sich Ohrlöcher mit der Ohrlochpistole stechen zu lassen. „Im Vergleich zu einem schnellen Schuss durch die Pistole ohne eine Nadelspitze, kann mit einer Piercingnadel viel gefühlvoller und präziser das Ohrloch gestochen werden. Die Haut hat durch die scharfe Nadel weniger Irritation und weniger Traumata im Nachgang.“
Die frisch gestochenen Ohrlöcher brauchen etwa sechs bis zwölf Wochen, um zu verheilen. Die Ohren sollten also nur mit gründlich gewaschenen Händen angefasst werden, um das Risiko zu minimieren, dass Keime und Drecke in den Stichkanal geraten. Außerdem ist es wichtig, den Stecker regelmäßig vorne und hinten mit einem geeigneten Desinfektionsmittel zu reinigen. Dabei ist darauf zu achten, dass der Stichkanal möglichst trocken bleibt, da Feuchtigkeit die Ansiedlung von Keimen in frischen Wunden begünstigt. Auch beim Haarewaschen sollte darauf geachtet werden, dass kein Shampoo oder andere Pflegeprodukte mit den Ohrlöchern in Berührung kommen.
„Während der Heilungsphase sollten starke mechanische Reize, wie das Tragen von Kopfbedeckungen, Kopfhörern oder das Schlafen auf dem frisch gepiercten Ohr vermieden werden“, rät der DGP. Je weniger Reize auf die frisch gepiercte Stelle ausgeübt würden, desto besser könne das Ohrloch verheilen. Die neuen Ohrstecker sollten nicht gedreht oder bewegt werden. „Oft wird hier behauptet das diese sonst mit dem Ohr verwachsen würden. Das ist aber ein Mythos“, so der DGP.
Es ist auch wichtig, dass die Ohrlöcher während der Heilungsphase beobachtet werden, um Anzeichen einer Entzündung rechtzeitig zu bemerken. „Eltern sollten auf Rötungen um das Ohrloch herum, auf Schwellungen und Überwärmung achten. Das sind so die klassischen Zeichen für eine Entzündung.“ Kommt Eiter aus der Wunde, muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Besser schon bei Rötungen, sagt Kinderarzt Jakob Maske.