Rund um Olympia in Paris wurde um den Fluss Seine gestritten. Vor den Paralympics üben nun auch paralympische Athleten Kritik. Dabei geht es weniger um hygienische Bedenken.
Vor den Paralympischen Spielen in Paris zeichnet sich neuer Ärger um die Seine ab. Nachdem zuletzt lange darüber gestritten worden war, ob der Fluss sauber genug für Wettkämpfe ist, treiben nun auch die paralympischen Sportlerinnen und Sportler Sorgen um. Der deutsche Triathlet Martin Schulz sagte im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst SID, die Wasserqualität der Seine sei „sicher nicht ideal“, doch das Hauptproblem sei die Strömung.
Schon bei den Sommerspielen hatten Athletinnen und Athleten Ende Juli kritisiert, wie unruhig der Fluss sei. „Die Strömung war extrem“, sagte etwa der deutsche Triathlet Tim Hellwig nach dem Wettkampf. „Ich bin nach der ersten Boje zehn, vielleicht 20 Meter rausgetrieben worden.“ Die Strömung hatte dafür gesorgt, dass die Schwimmer immer wieder kurz die Kontrolle verloren hatten und miteinander kollidiert waren. „Ein sehr ruppiges Rennen“, sagte Hellwig. „Eine richtige Schlägerei im Wasser“, ergänzte sein Teamkollege Jonas Schomburg.
Die Strömung bei den Sommerspielen sei schon grenzwertig gewesen, „selbst für Schwimmspezialisten“, sagte nun Martin Schulz. „Für viele Para-Athleten ist es unmöglich, stromaufwärts zu schwimmen. Im Idealfall bleibt man auf der Stelle stehen. Viele werden aber auch rückwärts schwimmen.“
„Fader Beigeschmack“ bei einem Duathlon
Sollte der Triathlon bei den Paralympischen Spielen nicht wie bislang geplant stattfinden können, gebe es bereits Notfallszenarien, erklärte Schulz dem SID. Denkbar sei, dass der Wettkampf verschoben werde. Oder, dass die Sportler bei den Paralympics stromabwärts schwimmen würden. Wenn ein Rennen in der Seine für die Para-Athleten unmöglich sein sollte, müsste es zu einem Duathlon aus Radfahren und Laufen kommen.
Triathlon Olympia 2024 Paris Seine Vor Ort 18:34
In einem solchen Fall würde „ein fader Beigeschmack bleiben“, sagte Schulz. Der Wettbewerb würde unter anderen Vorzeichen stattfinden, er wäre verzerrt. „Das ist wie, wenn man beim Zehnkampf fünf Disziplinen weglassen würde“, sagte Schulz. Einige Sportler, denen Schwimmen ohnehin weniger liegt, würden davon profitieren. Andere, die eigentlich besonders gut im Wasser sind, hätten einen Nachteil.
Die Olympia-Macher hatten die Ausgabe in Paris unter das Motto „Offene Spiele“ gestellt. Sie inszenierten die Wettbewerbe vor ikonischen Bauwerken und Plätzen. 3×3-Basketball etwa fand auf dem Place de la Concorde statt, Reiten im Schlosspark von Versailles, Beachvolleyball vor dem Eiffelturm. Auch mit dem Triathlon entlang der Seine wollten die Organisatoren Bilder produzieren, die als Symbol für Spiele mitten in der Stadt taugen. Für die Paralympischen Spiele wollen sie dies nun wiederholen, trotz der Kritik am nicht besonders sauberen und unruhigen Fluss.
Er könne angesichts der Kulisse verstehen, dass die Olympia-Organisatoren auch den paralympischen Triathlon im Zentrum der Stadt ausrichten wollten, betonte Triathlet Schulz, der als einer Goldfavoriten gilt. „Das pusht, das sind tolle Bilder für die Welt“, sagte Schulz. Ein Wettkampf im Schatten des Eiffelturms sei „schon speziell“, dennoch sei es „ein schwieriger Zwiespalt. Mit dem Fluss ist es immer eine Lotterie.“
Krankheitsfälle nach Seine-Wettkämpfen
Zum Ende der Olympischen Sommerspiele hatte es Mitte August vermehrt Berichte von Krankheitsfällen bei Sportlern unterschiedlicher Nationen gegeben, die an den Wettkämpfen in der Seine teilgenommen hatten. Auch drei von vier deutschen Freiwasserschwimmerinnen und -schwimmern klagten über Beschwerden, darunter Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Zwei von ihnen mussten ambulant behandelt werden.
In den vergangenen Jahren hat Frankreich 1,4 Milliarden Euro investiert, um die Seine zu reinigen. Wegen des veralteten Abwassersystems gab es Zweifel am Gelingen des Projekts. In Paris laufen Regen- und Abwasser teilweise durch dieselben Rohre und auch in die Seine, wenn das System an seine Grenzen gerät. Nach starken Regenfällen zu Beginn der Sommerspiele waren die Grenzwerte für E.-coli-Bakterien im Fluss mehrfach überschritten worden. Der Triathlon der Männer hatte deshalb um einen Tag verschoben werden müssen. Ob die später bekannt gewordenen Krankheitsfälle bei den Sportlerinnen und Sportlern im direkten Zusammenhang zur Seine stehen, ist nicht bestätigt.