Social Media, Online-Spiele und Streaming-Dienste gehören für junge Menschen zum Alltag. Ungezügelter Konsum kann zur Sucht führen. Unter anderem in Hessen wird eine neue Behandlungsmethode getestet.
Bei der Behandlung von medienbezogenen Störungen bei Kindern und Jugendlichen testen Psychologen und Ärzte unter anderem in hessischen Einrichtungen ein neues App-basiertes Trainingsprogramm. Die vier Vitos Kinder– und Jugendambulanzen für psychische Gesundheit in Eltville, Wiesbaden, Idstein und Kelkheim beteiligen sich an einer bundesweiten Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Das Therapiekonzept „Res@t“ umfasst ein zehnwöchiges digitales Training. Die App kann auf dem Smartphone oder Tablet genutzt werden und richtet sich an Betroffene im Alter von 10 bis 19 Jahren und ihre Eltern.
Digitale Medien sind im Alltag junger Menschen ständig präsent. „Problematisch kann es unter anderem dann werden, wenn es für die Betroffenen schwierig wird, das Smartphone oder Tablet zur Seite zu legen, etwa wenn Hausaufgaben erledigt werden müssen“, sagt Fabian Fuchs, leitender Psychologe der Vitos Kinder- und Jugendambulanz in Idstein im Taunus. Häufig würden Dinge vermieden oder aufgeschoben, die zum Alltag gehörten.
Häufiger Streit um Medienzeit kann Warnsignal sein
„Wir schauen bei der Mediensucht auf drei Bereiche: Spielen, Social Media und Streaming“, erläutert Daniel Sammet, leitender Arzt der Vitos Kinder- und Jugendambulanz in Wiesbaden. „Ein wesentlicher Aspekt ist, kann ich damit aufhören oder nicht.“ Weitere Warnsignale seien, wenn es oft Streit um Bildschirmzeit in der Familie gibt oder Hobbys wegen der Mediennutzung vernachlässigt werden.
Die Res@t-App soll die Patienten neben der Therapie unterstützen. Ziele sind unter anderem, die Auswirkungen des übermäßigen oder unkontrollierten Medienkonsums zu reduzieren. Die Betroffenen sollen zudem bei der Stressbewältigung und in ihren sozialen Fähigkeiten gestärkt werden. Außerdem geht es darum, einen gesunden Lebensstil der Kinder und Jugendlichen zu fördern, etwa geregelte Schlafzeiten. Thema seien unter anderem auch handyfreie Räume, in denen die gesamte Familie auf das Smartphone verzichtet, sagt Fuchs.
Psychologe: App kann Einstieg erleichtern
Das Besondere an Res@t ist nach den Worten von Fuchs, dass die Eltern einbezogen werden und dass eben genau das Medium genutzt wird, das für die Probleme sorgt. „Das kann den Einstieg erleichtern“, sagt der Psychologe. Es gehe auch nicht darum, die Mediennutzung grundsätzlich zu verbieten, sondern es gehe um einen kontrollierten Umgang. Die Inhalte der App basierten auf bewährten Strategien aus der therapeutischen Behandlung von medienbezogenen Störungen.
Die Vitos Einrichtungen sind seit März dieses Jahres bei der Studie dabei, inzwischen gebe es eine Teilnehmerzahl im zweistelligen Bereich. Das Forschungsprojekt läuft bis August 2025 und soll bei erfolgreicher Bewertung deutschlandweit zugänglich gemacht werden. Nach Angaben des Universitätsklinikums Eppendorf sind 22 Partner an der Studie beteiligt, davon fünf in Hessen. Insgesamt nähmen aktuell 100 Probanden teil.
Etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen
Eine pathologische Nutzung digitaler Medien hat in den zurückliegenden Jahren auch durch die Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen nach Einschätzung von Experten zugenommen. Etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland entwickeln Symptome einer medienbezogenen Störung. Oft sei dies keine alleinstehende Diagnose, sagt Sammet. Die Betroffenen litten teils auch unter Depressionen oder Ängsten.