Er war Greenpeace-Aktivist und UN-Biowaffeninspekteur. Für die Linke saß Jan van Aken lange im Bundestag. Nun will er die Partei aus der Krise führen – wenn sie ihn den lässt.
Im Ringen um den künftigen Bundesvorsitz bei den Linken erwartet Jan van Aken ein übersichtliches Bewerberfeld. Die Chance, dass nach ihm und der Publizistin Ines Schwerdtner noch weitere Kandidaten ihren Hut für die Nachfolge der scheidenden Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan in den Ring werfen, sehe er bei 40 zu 60, sagte der frühere Hamburger Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur.
Zugleich zeigte sich der 63-Jährige zuversichtlich, die Linke vor der drohenden Bedeutungslosigkeit bewahren zu können und sie nicht angesichts schlechter Wahlergebnisse und Umfragewerte als künftiger Vorsitzender zu Grabe tragen zu müssen. „Ich bewerte mich nicht als Totengräber der Partei. Wenn ich denken würde, die Partei ist tot und nicht wiederbelebbar, dann würde ich das nicht machen.“
Zuletzt hatte die Linke bei der Europawahl nur noch 2,7 Prozent der Stimmen geholt. Im Bund liegt sie Umfragen zufolge derzeit nur bei drei Prozent. Schon 2021 war sie mit 4,9 Prozent eigentlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und nur aufgrund von Direktmandaten in den Bundestag eingezogen.
Van Aken sieht Linke bei der Bundestagswahl bei sieben bis acht Prozent
„Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir im nächsten Jahr wieder sehr gut dastehen werden“, sagte van Aken. Sieben bis acht Prozent seien bei der Bundestagswahl drin. „Es geht also nicht ums Reinkommen, sondern ums gut und sicher Reinkommen und wieder im Aufschwung zu sein. Alle Voraussetzungen dafür sind da.“
Seine Zuversicht schöpfe er aus Gesprächen, die er im vergangenen Monat im Rahmen einer Buchtour quer durch Deutschland geführt habe. „Da ist so viel Energie an der Basis der Partei, das ist schon irre. Da lebt noch ganz viel. Jetzt muss man nur noch ein paar Sachen richtig machen und dann funktioniert das.“
Die Abspaltung der Gruppe um Sahra Wagenknecht habe der Partei gutgetan. „Das, was der Linken in den letzten Jahren so geschadet hat, dieses Bild des Streits, das ist jetzt vorbei.“ Hauptaufgabe müsse nun sein, das durch den Streit verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen.
Wissler und Schirdewan, die am vergangenen Wochenende angekündigt hatten, beim Parteitag im Oktober nicht wieder für den Bundesvorsitz zu kandidieren, hätten „den Laden“ sehr gut durch die turbulenten Zeiten gesteuert. „Und deswegen ist das kein Scherbenhaufen. Die Basis lebt. Und auch die Landesverbände funktionieren“, sagte er.
Will Mietendeckel zum zentralen Thema machen
Um auch bei den Wählern wieder anzukommen, müsse die Partei auf zentrale Themen setzen. „Von Greenpeace habe ich gelernt: Man kann nur gewinnen, wenn man alles auf einen Punkt konzentriert“, sagte van Aken, der sich Ende der 1990er Jahre – noch vor seiner Zeit als UN-Biowaffeninspekteur – bei der Umweltorganisation gegen Gentechnik engagiert hatte. „Das kann die Linke. So hat sie auch den Mindestlohn damals durchgesetzt. Auf diesem Niveau muss es jetzt auch gehen. Wir müssen sehen, was die Menschen am meisten bewegt – das sind die sozialen Themen, gerade für Menschen, die am Ende des Monats kaum noch über die Runden kommen.“
Die Forderung nach einem Mietendeckel wäre dabei eine solche Möglichkeit. „Ich möchte diesen Mietendeckel durchsetzen. Wenn wir das gut machen, wie damals beim Mindestlohn, dann werden wir das gewinnen, weil die anderen Parteien nicht mehr drum rum kommen. Darum geht es: Ein Thema wirklich auch so zu vertreten, dass wir es gewinnen, dass die Situation der Menschen sich verbessert.“
Als weiteres mögliches Thema nannte er die Gesundheitsversorgung, die die Menschen ebenfalls umtreibe. „Deshalb ist der Plan der Partei gut, über solche Themen jetzt quer durch die Republik mit den Menschen, die uns wählen sollen, Haustürgespräche zu führen und herauszufinden, was sie am allermeisten bewegt“, sagte der 63-Jährige.
Van Aken: Putin muss als Verbrecher zur Verantwortung gezogen werden
Das Thema Frieden bewege zwar auch viele Menschen – als zentralen Punkt zur Neuordnung der Partei sieht es Aken derzeit aber nicht. „Wenn ich sage, dass wir ein zentrales Thema zum Fokus machen, heißt das ja nicht, dass wir alles andere vergessen.“
Frieden sei eine Haltungsfrage. „Ich bin ja so etwas wie die Cheffriedenstaube der Partei, und ich finde es wichtig, zu sagen, dass (Russlands Präsident) Wladimir Putin ein Aggressor und Verbrecher ist, der zur Verantwortung gezogen werden muss.“ In diesem Punkt sei die Linke ganz klar. „Zwar gab es auch Leute, die da völlig quergeschossen sind, aber die sind ja zum Glück raus.“
Schwieriger sei die Frage, ob es eine diplomatische und keine militärische Lösung für die Ukraine gebe. „Dabei reicht es aber nicht, einfach nur Frieden zu rufen und sich dann wegzuducken und zu gucken, wo die Ukraine bleibt. Das ist keine Haltung, sondern verantwortungslos“, sagte er. „Mein Pazifismus ist friedlich, aber nicht hilflos.“ Für ihn sei klar: „Wer jetzt gegen Waffenlieferung ist, steckt nicht gleich im Hintern von Putin. Und wer für Waffenlieferung ist, ist nicht gleich ein Kriegstreiber.“ Wichtig sei vielmehr, dass man in dem Konflikt überhaupt zur Diplomatie komme.
Gemeinsame Kandidatur mit Schwerdtner würde sich gut anfühlen
Ines Schwerdtner und er hätten ihren Entschluss zur Kandidatur um den Bundesvorsitz unabhängig voneinander getroffen. „Wir gucken jetzt mal, ob es noch andere Bewerberinnen gibt. Und wenn sich da gar nichts tut, dann sind wir natürlich bald auch ein Team“, sagte van Aken. Bislang sei er mit der 35-Jährigen erst ein Mal persönlich zusammengetroffen. Inzwischen hätten sie telefoniert und auch Inhaltliches besprochen. „Das hat sich gut angefühlt. Ich glaube, wir können gut miteinander.“