20 Bücher stehen auf der Longlist. Sie laden ein zu einer Entdeckungsreise durch die Literatur der Gegenwart – Zeitreisen und Zukunftsentwürfe inklusive.
Autorinnen dominieren in diesem Jahr die Longlist für den Deutschen Buchpreis. 13 Frauen und sieben Männer sind für die begehrte Auszeichnung nominiert. Mit dabei sind Texte, „die auf der Höhe der Zeit sind“, wie Jurysprecherin Natascha Freundel in Frankfurt am Main sagte – „und die Welt nicht nur zeigen, wie sie ist, sondern auch, wie sie sein könnte“.
Auf der Longlist stehen drei Debütromane und 13 Bücher von Autorinnen und Autoren, die bisher noch nicht für den Buchpreis nominiert waren. Zu den bekanntesten Namen auf der Liste zählen Nora Bossong, Michael Köhlmeier, André Kubiczek, Clemens Meyer und Stefanie Sargnagel.
Gestaunt, gestritten, gelacht
Der Deutsche Buchpreis wird in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. Die Jury hatte 197 Romane aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesichtet, die seit Oktober erschienen sind oder noch erscheinen.
Nach ihrer „Entdeckungsreise durch die deutschsprachige Literatur des Jahres 2024“ entschied sich die Jury für Bücher, „die auch heute die Magie des Erzählens vermitteln“, wie Freundel weiter sagte. „Wir haben gestaunt, gestritten, gelacht.“
„Momente surrealer Freiheit“
Eine große Gruppe bilden autofiktionale Texte, „die mit Momenten surrealer Freiheit überraschen“, so Freundel. Dazu zählen zum Beispiel Stefanie Sargnagels „Iowa“, André Kubiczeks „Nostalgia“ und Zora del Buonos „Seinetwegen“. Die Texte erzählen von einer Reise in die USA, dem Tod der Mutter in der späten DDR oder einem Autounfall in der Schweiz, „aber sie zeigen eben auch, dass die Literatur mehr als autobiografischen Realismus kann“, so die Jurysprecherin.
Viele Autorinnen und Autoren thematisieren Einsamkeit, Gewalt und Verlust. Aber trotz ihrer „ungeschönten“ Schilderungen, sind ihre Texte „zugleich poetische Selbstvergewisserungen“, sagte Freundel.
Ruth-Maria Thomas spricht in „Die schönste Version“ über sexuelle Gewalt. Daniela Kriens „Mein drittes Leben“ handelt von einer Mutter, die ein Kind bei einem Unfall verliert. Dana von Suffrin erzählt in „Nochmal von vorne“ vom Verlust des Vaters. In Iris Wolffs „Lichtungen“ zerbricht eine Kinderfreundschaft. Timon Karl Kaleytas „Heilung“ spielt in einem Sanatorium.
Warnung vor dem „Dunkel der Diktatur“
Eine große Gruppe bilden historisch-politische Themen, die aus Sicht der Jury „das aufziehende Dunkel der Diktatur auch für die Gegenwart ausleuchten oder uns in wenig bekannte Winkel der Weltgeschichte wie in Spiegelkabinette entführen“.
Nora Bossongs „Reichskanzlerplatz“ kreist um Magda Goebbels. Ulla Lenze schildert in „Das Wohlbefinden“ den Okkultismus der 1920er Jahre. Ronya Othmann thematisiert in „Vierundsiebzig“ den Genozid an den Jesiden. Michael Köhlmeiers „Das Philosophenschiff“ spielt in der Stalinzeit. In Markus Thielemanns „Von Norden rollt ein Donner“ geht es unter anderem um ein fast vergessenes KZ.
Autounfälle und Zeitreisen
„Fasziniert“ haben die Jury Texte, „die das Erzählen selbst hinterfragen“. Das tun sie zum Beispiel, indem sie „die Möglichkeiten einer eigenen Sprache zwischen digitalen Textbausteinen“ erforschen, wie Freundel weiter berichtete. Ein Beispiel hierfür sei das Buch „Hasenprosa“ von Maren Kames, das erst etwas sperrig daherkommt, dann aber „einen ganz eigenen Drive entwickelt“. Auch Martina Hefters „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“, das zum Teil aus Textnachrichten besteht, mit denen Männer Frauen belästigen, wird als Beispiel genannt.
Erstaunlich viele Autounfälle passieren in diesen 20 Romanen – und in mehr als einem Buch reisen Menschen durch die Zeit. In Mithu Sanyals „Antichristie“ etwa geht es zurück in die indische Unabhängigkeitsbewegung. In Franz Friedrichs „Die Passagierin“ werden Menschen aus der Vergangenheit in ein Sanatorium in der Zukunft evakuiert. Es seien „philosophische Reflexionen über die Möglichkeit, Geschichtsverläufe zu verändern“, so Freundel.
Drei Mal Erfolg im ersten Anlauf
Drei Autorinnen und Autoren haben es gleich mit ihrem Erstlingswerk auf die Longlist geschafft: Doris Wirth mit „Findet mich“, erschienen beim kleinen Geparden-Verlag, der ebenfalls noch nie nominiert war, Max Oravin mit „Toni & Toni“, einer Liebesgeschichte im prekären Künstlermilieu in Wien und die bereits erwähnte Ruth-Maria Thomas.
Auch gesellschaftliche Utopien vor dem Hintergrund der gescheiterten DDR spielen eine Rolle. Zu den prominentesten ostdeutschen Stimmen gehört Clemens Meyer, der mit „Die Projektoren“ nominiert ist – alles andere als ein Newcomer.
Spannung bis zum Schluss
Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der Sieger erhält 25.000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2.500 Euro. Am 17. September wird die Longlist auf die sechs Titel umfassende Shortlist verkürzt.
Die Siegerin oder der Sieger steht am 14. Oktober fest. Der Deutsche Buchpreis wird am Vortag der Frankfurter Buchmesse übergeben. Die Autorinnen und Autoren erfahren erst am Abend der Preisverleihung, wer gewonnen hat.
Deutscher Buchpreis