Die Hauptsaison für Pilze steht an. Tristan Jurisch ist Sachsens jüngster Pilzberater und im Internet ein kleiner Star. Im Gespräch verrät er, worauf es bei der Pilzsuche ankommt.
Tristan Jurisch ist 19 Jahre alt und Sachsens jüngster Pilzberater. Er weiß, welche Pilze man essen kann und welche lieber nicht. Jurisch begeistert sich seit Kindertagen für Pilze, weil ihn sein Vater immer mit zum Pilzesammeln in den Wald nahm. Sein Lieblingspilz: die Speisemorchel. Angebraten in Butter, etwas Salz und Pfeffer sei dieser „geschmacklich nicht von dieser Welt“.
Bei Instagram und TikTok stellt Jurisch unter @pilzaddicted in kurzen Videos verschiedene Pilzarten vor, die er im Wald gefunden hat und begeistert damit tausende Follower. Jurisch ist Mitglied des Lausitzer Pilzzentrums, wo er auch zum Pilzsachverständigen ausgebildet wurde.
Neben seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Pilzberater und Influencer macht Jurisch eine Ausbildung zum Sozialassistenten. Er bietet zudem Pilzführungen an. Im Gespräch mit dem stern verrät er, wie der Pilzkorb voll wird.
Er weiß, wo die Pfifferlinge wachsen: Tristan Jurisch, Pilzberater und Influencer
© privat
Herr Jurisch, wann ist die beste Zeit zum Pilzesuchen?
Das ganze Jahr gibt’s Pilze und auch Speisepilze. Die Hauptsaison beginnt im Spätsommer zum September hin und endet im November, wenn der erste Frost kommt. Da gibt es die meisten Arten essbarer Pilze.
Wie sieht’s aus: Ist 2024 ein gutes Pilzjahr?
Am Anfang des Jahres wuchsen manche Pilzarten bis zu einen Monat früher als gewöhnlich, weil der Frühling sehr warm war. Dieses Jahr wurden zum Beispiel im März schon Champignons gefunden. In den letzten Wochen war es heiß und fehlte oft an Regen, weshalb manche Pilze nun etwas später wachsen. Da müssen sich Pilzsammler noch etwas gedulden. Aber es geht so langsam los: Ich habe zum Beispiel schon relativ viele Pfifferlinge gefunden.
Liegt das am Wetter oder am Klimawandel?
Es ist vielerorts zu trocken, das stimmt. Ob das direkt am Klimawandel liegt oder nur am Wetter, kann man nicht wirklich sagen. Auch die Pfifferlinge haben es in letzter Zeit schwer, aber diesen Sommer war davon nichts zu merken. Es ist ein absolutes Pfifferlingsjahr.
Wo findet man Pfifferlinge am besten?
Es gibt verschiedene Arten. Das wissen die wenigsten. Bei mir in der Gegend wächst zum Beispiel der Amethystschuppige Pfifferling. Den kann man in Laub- und Nadelwäldern finden, häufig an Wegesrändern. Dann gibt es auch Samtige Pfifferlinge, die findet man vor allem in Laubwäldern, auch am Wegesrand, gerne da wo Schotter ist. Generell gilt: Wo saurer Boden ist, sind auch Pfifferlinge zu finden. Ein guter Anzeiger für sauren Boden ist Heidelbeerkraut.
Wenn wir schon dabei sind: Steinpilze – wo wachsen diese gerne?
Auch hier gibt es wieder Anzeiger: Wachsen Fliegenpilze, Pfefferröhrlinge und Mehl-Räslinge in einem Gebiet, ist es ziemlich sicher, dass dort auch Steinpilze sprießen.
Wenn Sie wissen, wo jeder Pilz zu finden ist, geht dann nicht ein wenig die Überraschung beim Sammeln verloren?
Genau deshalb macht es ja Spaß! Und ich habe nie ausgelernt bei dem Thema: Selbst die belesensten Pilzprofessoren wissen gar nicht, wie viele Arten es auf der Welt überhaupt gibt. In Deutschland gibt es ungefähr 10.000 verschiedene Großpilzarten – und auch hier kommen regelmäßig neue dazu.
Welche Ausrüstung braucht man zum Pilzesammeln?
Man sollte lange Sachen anziehen zum Schutz gegen Zecken und Mücken. Sonst braucht man einen Korb und ein Messer. Eine Bürste zum Putzen ist auch nicht verkehrt.
Was interessiert Sie mehr? Essbare oder giftige Pilze?
Speisepilze stehen im Fokus. Manchmal freue ich mich aber, wenn ich sehr giftige Pilze finde, zum Beispiel weiße oder grüne Knollenblätterpilze oder einen Orangefuchsigen Raukopf. Diese Pilze gehen auf die Organe – und können tödlich sein.
Was machen Sie mit den giftigen Pilzen?
Ich mache davon Videos, bei denen ich die äußerlichen Merkmale dieser Pilze zeige und erkläre, wo sie wachsen und warum man sie nicht essen sollte. Die Videos lade ich dann bei TikTok und Instagram hoch.
Gibt es grundsätzliche Regeln, wie man giftige und essbare Pilze auseinanderhalten kann?
Gibt es nicht. Man braucht ein Pilzbuch, um alle Pilzarten sicher bestimmen zu können. Dafür nimmt man den Pilz im Ganzen aus dem Boden, weil viele Merkmale wie Verfärbungen an der Stielbasis zu finden sind und vergleicht sie. Pilzsammler können mit ihren Funden auch zum Pilzberater gehen und dieser kann dann vor Ort bestimmen, um welche Art es sich handelt. Beratungsstellen findet man auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM).
Kann man auch Apps für die Pilzbestimmung nutzen?
Pilz-Apps kann man verwenden, man sollte sich aber niemals nur auf sie verlassen. Es gibt so viele Dinge, auf die zu achten ist, das bekommen solche Apps nicht immer fehlerfrei hin.
Woran merkt man, wenn man aus Versehen einen giftigen Pilz gegessen hat?
Typische Symptome sind Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit. Passiert das, sollte man den Giftnotruf wählen und ins Krankenhaus gehen.
Was sind typische Fehler, die Pilzsammler machen?
Alte Pilze zu sammeln! Ein Pilz besteht größtenteils aus Wasser und Eiweiß, welches sich schnell zersetzt. Sind sie zu alt, kann man sich eine Lebensmittelvergiftung holen. Deswegen sollten nur frische Pilze mitgenommen werden. Bei Röhrlingen wie Maronen oder Steinpilzen gibt es einen einfachen Test, um zu überprüfen, ob der Pilz schon zu alt ist: Einfach auf den Hut drücken. Entsteht eine Delle, ist der Pilz zu alt.
Und wenn die Pilze schon angeknabbert sind?
Das kann man wegschneiden und den Pilz trotzdem noch verwerten.
Pilze besser am Stiel abschneiden oder aus dem Boden rausdrehen?
Wenn man den Pilz nicht bestimmen muss, kann man das machen, wie man möchte. Ich drehe die Pilze immer im Ganzen aus dem Boden, um den Stiel nicht zu verschenken.
Wie geht’s dann weiter?
Die Pilze werden danach direkt im Wald mit der Bürste geputzt. Man möchte den Dreck nicht mit nach Hause nehmen. Wenn ich mit der Bürste durch die Lamellen fahre, können die Sporen des Pilzes verteilt werden und so für Nachwuchs sorgen. Deshalb werden Pilze beim Sammeln auch in Körben getragen. So können die Sporen durch die Korbschlitze im Wald verteilt werden.
Worauf sollte man sonst noch achten?
Auf keinen Fall in Naturschutzgebieten Pilze sammeln. Und auch nicht zu viele Pilze mitnehmen. Da gibt es kein eindeutiges Gesetz, wie viel man sammeln darf. Als Orientierung gelten aber allgemein zwei bis drei Kilogramm pro Person – was man halt auch verzehren kann. Außerdem: Babypilze und alte Pilze stehen lassen.
Wie steht es um Pilze, die in der Stadt wachsen? Kann man die problemlos sammeln und essen?
Kann man machen, würde ich aber nicht empfehlen. Städtische Pilze sind oft schadstoffbelastet, gerade, wenn sie nah an Straßen stehen.
Verraten Sie uns Ihre Lieblingssammelstellen?
Nein. Aber wenn ich Pilzführungen mache, muss ich ja. Da bleibt mir gar nichts anderes übrig. Da muss ich mich auskennen und gehe deshalb an die Orte, die ich gut kenne und von denen ich weiß, dass dort Pilze wachsen – schließlich muss ich mit den Leuten ja auch wieder aus dem Wald rausfinden.