Fastenzeit: Detox oder Humbug? Was es wirklich bringt, auf Nahrung zu verzichten

Fasten liegt im Trend. Der bewusste Verzicht auf Nahrung soll unseren Körper entgiften und uns gesünder machen. Aber stimmt das eigentlich wirklich? Der Fasten-Experte Dr. Nicolas Gros kennt die Antwort. Ein Gespräch über Chancen und Risiken vom Fasten.

Viele Menschen entscheiden sich, phasenweise auf feste Nahrung zu verzichten – um ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Aber warum sollte ich überhaupt fasten? 

Dr. Nicolas Gros: Es gibt gleich eine ganze Reihe guter Gründe, regelmäßig zu fasten. Vor allem die Gesundheit profitiert davon. Es ist eine Art Reset-Knopf für den eigenen Körper – angefangen beim Herz und Kreislauf. Das Fasten kann zum Beispiel dazu beitragen, den Blutzuckerspiegel und den Cholesterinspiegel zu regulieren, was unter anderem direkt zu einer Verbesserung der Herzgesundheit führen kann. Außerdem fördert es den Gehirnstoffwechsel und die Serotonin-Ausschüttung – man ist leistungsfähiger, konzentrierter, sogar kreativer.

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Kann ich mit Fasten auch abnehmen?

Durchaus. Daten belegen, dass das Fasten für eine nachhaltige Gewichtsreduktion ohne Jojo-Effekt sorgt. Der Stoffwechsel wird direkt angekurbelt, Fettreserven werden verbrannt. Darüber hinaus reduziert der geplante Verzicht den Stresspegel und fördert nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Autophagie – unser körpereigenes Verjüngungsprogramm.

Fasten ist nicht gleich Fasten

Nun ist Fasten nicht gleich Fasten – es gibt mittlerweile zahlreiche Arten. Welche sind sinnvoll, welche nicht?

Oftmals wird Fasten mit einer Null-Diät verwechselt. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Fastenmethoden, von denen manche leider auch sehr ungesund sind. Allen voran wäre hier das Wasserfasten zu nennen. Hierbei wird in der gesamten Zeit nur Wasser konsumiert, auch wenn der Name das Umgekehrte suggeriert. Diese Methode ist ungesund, veraltet und sorgt für unnötigen Muskelabbau. Zusammenfassend kann man sagen, dass es schlicht und ergreifend eine vermeidbare Quälerei ist.

Und wie sieht es mit dem auf Social Media gerne angepriesenen Saftfasten aus?

Tatsächlich ähnlich. Da ausschließlich Säfte konsumiert werden, steigt die Einnahme von Säuren und Fruchtzucker, was letztlich den Stoffwechsel und die Verdauung unnötig anstrengt und sich mit entsprechenden Nebenwirkungen bemerkbar macht. Ungeachtet dessen, ist es auch wenig nachhaltig, da PET-Flaschen, deren Inhalt zu 90 Prozent Wasser ist, gekühlt werden müssen und mit ihrem großen Gewicht durch ganz Europa verschickt werden. Beim Fasten geht es auch eben viel um Besonnenheit, Achtsamkeit und natürlich durch den Verzicht auch sehr konkret um Nachhaltigkeit.

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Wie geht gesundes Fasten?

Intervallfasten ist eine sinnvolle Methode. Dabei geht es um das Abwechseln von Essens- und Nicht-Essenszeiten. Das kann eine einfache und flexible Methode sein, um das Fasten in den Alltag zu integrieren. Beim Heilfasten wird zwar ein oder mehrere Tage pro Woche vollständig gefastet. Wenn man den Effekt voll ausschöpfen möchte, ist das aber die sinnvollste Variante.

Was Fasten mit dem Körper macht

Beim Fasten bekommt der Körper deutlich weniger Nahrung als sonst. Was passiert dabei konkret im Körper?

Beim Fasten muss der Körper auf seine Energiereserven zurückgreifen. Das führt zu einer ganzen Reihe an Reaktionen. Zum Beispiel zu einem Abfall des Insulinspiegels im Blut, was den Körper dazu veranlasst, Fettreserven als Energiequelle zu nutzen. Fasten kann außerdem die Produktion von Wachstumshormonen im Körper erhöhen, was dazu beiträgt, Muskelmasse zu erhalten und Fettreserven abzubauen. Durch sogenannte Ketonkörper werden zusätzlich Entzündungen im Körper reduziert, was vorbeugend gegen verschiedene Krankheiten wirken kann.

Bei fachgerechter Anwendung kann Fasten also viel bewirken. Was sollte ich dabei unbedingt beachten, um keine Fehler zu riskieren? 

Man kann vieles falsch machen. Problematisch sind beispielsweise übermäßige Fastenzeiten, da sie den Körper unter Stress setzen und gesundheitliche Probleme wie zum Beispiel Müdigkeit, Schwindel, Niedergeschlagenheit und Kopfschmerzen verursachen können. Außerdem sollte Fasten nicht mit extremen Diäten kombiniert werden, die nur sehr wenige Nährstoffe enthalten. Für gute Ergebnisse sind zwischen 500 bis 700 kcal täglich gar kein Problem. Man hält damit besser durch und erzielt die gleichen Ergebnisse ohne Stress, Frust und ohne gesundheitliche Bedenken.

Dr. med. Nicolas Gros ist Arzt und Gründer von Salufast. Während seiner Assistenzarztzeit, bei dem international anerkannten Fasten-Experten Prof. Andreas Michalsen (Charité), entwickelte er eine innovative Lösung für das Heilfasten.
© Salufast

Mal ganz konkret: Für wen ist Fasten geeignet – und für wen absolut nicht? 

Fasten ist in der Regel für alle gesunde Erwachsene geeignet, aber es gibt bestimmte Personengruppen, für die es ungeeignet oder sogar gefährlich sein kann. Dazu gehören schwangere und stillende Frauen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Diabetes, Nieren- oder Leberproblemen, Menschen mit Essstörungen oder einer geschwächten Immunfunktion und Menschen, die unter Stress oder Depressionen leiden. Fasten ist auch für Patienten, die ihre Insulinresistenz verbessern oder die ihre Entzündungen reduzieren möchten sehr geeignet, jedoch empfiehlt es sich hier, das nur unter ärztlicher Anleitung und Aufsicht zu tun. Völlig sorglos fasten können hingegen gesunde Erwachsene, die ihre Essgewohnheiten verbessern möchten, oder Menschen mit leichtem Übergewicht, die abnehmen möchten. 

Wie die Fastenkur gelingen kann

Vor allem in Bezug auf die Leber werden Fasten aber auch negative Auswirkungen nachgesagt. Was ist da dran?

Nicht viel. Fasten hat gleich mehrere positive Auswirkungen auf die Leber. Zum einen führt es dazu, dass die Leber unnötige Zucker- und Fettablagerungen reduziert. Dies wiederum führt zu einer verbesserten Leberfunktion und einer verbesserten Fähigkeit, Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen. Darüber hinaus wird auch der Stoffwechsel der Leber gesteigert, denn das Fasten führt zu einem Abfall des Insulinspiegels im Blut, was dazu beiträgt, dass der Körper Fettreserven mobilisiert, welche die Leber zu Ketonkörpern umwandelt. Die Leber und die Bauchspeicheldrüse sind zentral an diesem Prozess beteiligt und werden hierdurch trainiert. Letztlich wird auch die Enzymproduktion gesteigert, die für die Verarbeitung von Giftstoffen und die Entgiftung von Leberzellen verantwortlich ist, aber auch die Verdauung begünstigt.

Und was raten Sie Menschen, die Fasten gerne mal ausprobieren wollen?

Vorteilhaft ist immer viel zu trinken, um Dehydrierung zu vermeiden. Hierbei sollte allerdings auf zuckerhaltige und alkoholische Getränke verzichtet werden. Es hilft auch, stufenweise in das Fasten einzusteigen und auch Schritt für Schritt wieder in die normale Ernährung umschwenken, um den Körper nicht zu belasten. Letztlich kann auch das eigene Netzwerk ein großer Antrieb sein: Informiert man im Voraus seine Freunde und Bekannte, findet man vielleicht sogar Mitstreiter. Damit geht alles deutlich leichter von der Hand.

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Wie oft sollte man denn eigentlich fasten?

Ständig zu fasten wäre abwegig – deshalb sollte man lieber gezielt und geplant fasten. Für einige kann tägliches Fasten in Form von Intervallfasten sinnvoll sein, während es für andere in Form einer Fastenwoche einmal im Monat, Quartal oder Jahr besser ist. Das kommt immer individuell auf die Ausgangslage des Menschen an. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass Fasten für den Menschen über Millionen Jahre Evolutionsgeschichte der Normalzustand war. Unser Körper hat daraus gelernt, einen Überlebensvorteil zu entwickeln. Das Überangebot, in dem wir heute leben, ist vielleicht 100 Jahre jung und es tut uns leider nicht nur Gutes.