Die Ruhrtriennale startet mit erfolgreichen Premieren in die erste Saison des neuen Intendanten Ivo van Hove. Die Uraufführung von Kirill Serebrennikows neuem Stück endet mit einem politischen Appell.
Mit minutenlangem Beifall ist in Duisburg die Ruhrtriennale-Uraufführung des monumentalen Stücks „Legende“ des russischen Exil-Regisseurs Kirill Serebrennikow gefeiert worden. In der „Kraftzentrale“ des Landschaftsparks Nord – einem einstigen Hüttenwerk – entfaltete Serebrennikow am Samstagabend die Welt des sowjetischen Kult-Filmregisseurs Sergej Paradschanow (1924-1990), dessen Werke auch Weltstar Lady Gaga inspiriert haben.
Am Ende des vierstündigen Schauspiels stand ein politischer Appell: „Free All Political Prisoners“ (Freilassung aller politischen Gefangenen) stand übergroß auf einer Leinwand hinter dem Ensemble, das vom Publikum bejubelt wurde.
Gegen das Sowjetregime
Paradschanow wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Der 1924 im georgischen Tbilisi (Tiflis) geborene Armenier rebellierte als Filmregisseur mit seinem exzentrischen Leben, fantastischen Improvisationen und Skandalen gegen das sowjetische Regime und die Unterdrückung. Der Filmemacher verbrachte 15 Jahre in sowjetischen Lagern, Gefängnissen und bekam Berufsverbot. Kritiker rühmten Paradschanows Ästhetik, seinen Umgang mit Legenden und märchenhaften Stoffen, die in keiner Weise dem vorgeschriebenen sozialistischen Kulturideal entsprachen.
Kritik an Putins Russland
Serebrennikow beleuchtet das Leben Paradschanows in zehn „Legenden“ mit viel Witz, burleskem Klamauk, fantasievollen und bunten Anspielungen an die kaukasischen Kulturen, aber auch makaber wahnhaften Straflagerszenen. Dabei streut der Regisseur auch Kritik an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Eine Szene mit dem alternden König Lear kann auch als Kritik an der Langzeitherrschaft von Präsident Wladimir Putin verstanden werden. Immer wieder gab es Szenenapplaus für die Schauspieler.
Das Schicksal des 54-jährigen Serebrennoikow weist Parallelen zu Paradschanow auf. In Russland wurde Serebrennikow 2017 verhaftet und unter dubiosen Beschuldigungen verurteilt, konnte aber nach Deutschland ausreisen. Das neue Stück ist eine Koproduktion der Ruhrtriennale mit dem Hamburger Thalia Theater und Kirill & Friends Company.
Erfolgreicher Ruhrtriennale-Start
Das vierwöchige experimentelle Musik-, Tanz- und Theaterfestival startete am Freitag mit der ebenfalls gefeierten Eröffnungspremiere „I want absolute Beauty“ mit der oscarnominierten Schauspielerin Sandra Hüller in der Hauptrolle. Inszeniert wurde das Musiktheater nach Songs der britischen Allroundkünstlerin PJ Harvey vom neuen Ruhrtriennale-Intendanten Ivo van Hove selbst. Bis zum 15. September sind 32 Produktionen mit 140 Aufführungen in Bochum, Duisburg und Essen zu erleben.