Bunte Tüte, Kaffee oder zwei Pils zum Mitnehmen für den Feierabend: Trinkhallen bleiben trotz Supermarkt-Konkurrenz ein wichtiger Treffpunkt im Revier. Am Samstag feiern die Ruhr-Trinkhallen.
Der Nachbar mit Bein-Prothese und Rollator kommt kurz vor dem Mittagessen vorbei: „Ein Kaffee mit Milch und eine Zeitung.“ Bringt Sven Lauer ihm gern – nach draußen, wegen der Stufe vorm Kiosk und dem Bein. Dann biegt eine Stammkundin um die Ecke, die stolz ihren neuen Hund zeigt: „Das ist Fritz, erst zwölf Wochen alt.“ Ein 25-Jähriger braucht ein Feuerzeug: „Ham wir. Macht ein Euro.“
Die Trinkhalle des 44-jährigen Sven Lauer mitten im Straßengewirr von Essen-Rüttenscheid ist ein Nachbarschaftstreffpunkt wie aus einer Vorabendserie. „Ich kenn hier alle und alle kennen mich“, sagt der Inhaber. Lauers Trinkhalle ist eine von 40 im ganzen Ruhrgebiet, die diesen Samstag (17.8.) beim „Tag der Trinkhallen“ als „Programmbude“ mitmachen.
Musik, Grillen, Kinderschminken
Das heißt, es gibt Geld von der Ruhrtourismus GmbH (RTG) für ein Kulturprogramm – Konzerte, Theater, Grillen, Fußball-Talk oder Kinderschminken, ganz nach dem Geschmack der Gäste. 80 weitere Buden machen auf eigene Kosten mit, sie bekommen von der Touristik-Gesellschaft Fahnen und Plakate für den Festtag gestellt.
Die Veranstaltung läuft alle zwei Jahre und sie ist äußerst beliebt: Party vor der eigenen Haustür zum Nulltarif. Etwa 25.000 Besucher erwarten die Touristiker insgesamt. Sie werben für Fahrradtouren auf verschiedenen Routen durchs Ruhrgebiet von Bude zu Bude und für den Besuch mehrerer Trinkhallen.
Trinkhallen sind „Dorfplatz der Großstadt“
„Wie keine andere Institution steht die Trinkhalle für das, was das Ruhrgebiet ausmacht: Zusammenhalt, Vielfalt und Offenheit“, sagt Ruhrtourismus-Chef Axel Biermann. Oft packe die ganze Familie am Verkaufstresen mit an. „Dabei haben sie auch immer ein offenes Ohr für Sorgen, Nöte und Alltagsgeschichten.“ Vor allem um diese soziale Funktion als „Dorfplatz der Großstadt“ gehe es am Tag der Trinkhallen.
Tatsächlich wird das Netz der Buden um die Ecke immer dünner. Geschätzte 18.000 Trinkhallen gab es in den goldenen Kiosk-Zeiten der 1960er Jahre im Ruhrgebiet, sagt eine RTG-Sprecherin. Dann ließen Werksschließungen in der Industrie und später deutliche verlängerte Öffnungszeiten der Supermärkte sowie größere Tankstellensortimente die Kiosk-Zahl schrumpfen. Heute seien im Ruhrgebiet nur noch etwa 5.000 Kioske übrig.
Budentag als Lebenszeichen
Hier soll der Buden-Tag auch ein Lebenszeichen setzen. 700.000 Euro investiert die RTG dafür. Sven Lauer will dabei seine Trinkhalle für einen Tag in eine „Techno-Bude“ verwandeln, kündigt er in einem Aushang an. Er hat die DJs eines in der Stadt bekannten Clubs engagiert und will vor seiner Trinkhalle Techno zum Mittanzen anbieten. Es wird sogar ein Stück der Straße abgesperrt.
Bier vom Kühlwagen und Currywurst von einem Caterer gibts zu moderaten Preisen. 800 bis 1.200 Besucher erwartet er von 15.00 Uhr bis zum Ende des Buden-Tages um 22.00 Uhr. Süßigkeitentüten einzeln zusammenstellen – höchst beliebt bei Kindern – kann er bei dem Andrang ausnahmsweise nicht. Lauer hat aber 300 abgepackte bunte Süßigkeitentüten vorbereitet – „da ist schön was drin“, verspricht er.