Kommunalpolitik: Kommunalpolitiker in Sachsen gezielt angefeindet

Es sind bedrückende Details, die Kommunalpolitiker aus ihrer täglichen Arbeit in Sachsen berichten. Die Stimmung im Land wird von manchen Menschen offenbar gezielt vergiftet.

Bedrohungen, Beleidigungen und anonyme Anschuldigungen: Sächsische Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker sehen sich zunehmend unter Druck und in ihrer Arbeit gelähmt. Sozialministerin Petra Köpping (SPD) mahnte in einem Gespräch mit Betroffenen in Dresden nachdrücklich, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Was hier passiere, zersetze die Demokratie. Manche Bürger, aber auch Gemeinderäte, versuchten mit einer Fülle an Dienstaufsichtsbeschwerden, Anzeigen oder Eingaben die Arbeit von Kommunalpolitikern zu lähmen. „Man will, dass die Verwaltungen nicht mehr arbeiten können. Das ist eine Entwicklung, die ist mehr als gefährlich“, sagte Köpping.

Verwaltungsrechtler Helmut Schwarz sieht das in ganz Deutschland als Problem. Dienstaufsichtsbeschwerden und Eingaben seien zwar legale Rechtsmittel. Sie dürften aber nicht missbraucht werden. Das eigentliche Problem sei die Verrohung in der Gesellschaft, betonte er.

Aufruf zum gesellschaftlichen Zusammenhalt

Köpping, die mit ihrem Ministerium auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt zuständig ist, forderte die Zivilgesellschaft zum Handeln auf. „Wenn wir das hinnehmen, wird es noch schlimmer.“ Man brauche ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Bürgermeister seien oft auf sich allein gestellt. Wenn sie keine Unterstützung mehr erhielten, würden sie sich zurückziehen. „Das ist das Schlimmste, was passieren kann.“ Die Betroffenen fühlten sich alleingelassen. Köpping berichtet von einem sächsischen Kreistag, wo sich die Abgeordneten nicht mehr durch den Vordereingang zur Kreistagssitzung trauten. „Das kann doch nicht unsere Zukunft sein.“ Das Thema müsse bei allen Ministerien auf den Tisch. Man brauche auch rechtliche Veränderungen.

Köpping war mit vier Stadtoberhäuptern zusammengetroffen, die persönlich von Anfeindungen betroffen waren. Die frühere Arnsdorfer Bürgermeisterin Martina Angermann (SPD) hatte nach monatelanger Hetze 2019 ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand beantragt. Die Politikerin war 2016 in die Schlagzeilen geraten. Vier Männer hatten damals in Arnsdorf einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt und ihr Verhalten als Notwehr dargestellt. Angermann verurteilte die Tat und wurde so selbst zum Feindbild. „Wir sind angetreten, um in den Gemeinden etwas zu schaffen“, sagte Angermann. Sie sei aber sukzessive und schleichend angegriffen worden. 

Anfangs habe sie gar nicht gemerkt, dass eine Strategie dahinterstehe, schilderte Angermann ihre Erfahrungen. Dann habe sie sich den Großteil ihrer Zeit nur noch mit diesen Dingen beschäftigt und sich den öffentlichen Angelegenheiten gar nicht mehr voll widmen können. „Das schafft eine innere Unzufriedenheit und innere Unruhe.“ Eine einzige Dienstaufsichtsbeschwerde habe dazu geführt, dass die Verwaltung zwei Monate Akten wälzen musste. Später habe sie sich um ihr Leben gefürchtet und sei an Burn-out erkrankt. Auch Angstzustände und Depressionen hätten sie geplagt.

Weitere Berichte von Bedrohungen

Auch die Pulsnitzer Bürgermeisterin Barbara Lüke und der Oberbürgermeister von Weißwasser, Torsten Pötzsch (beide parteilos), berichteten von Anfeindungen und Bedrohungen. Lüke hatte an den sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) einen Brief geschrieben und dafür folgenden Titel gewählt: „Unterstützung von Bürgermeistern in Bedrohungslagen und Situation der Demokratiegefährdung.“ 

Bürgermeister seien die unterste politische Ebene und merkten zuerst, wenn die Demokratie gefährdet sei, sagte Lüke und konstatierte eine „antidemokratische Stimmung“ in Teilen der Bevölkerung. Sie sah sich unter anderem mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde wegen angeblicher Verletzung der Neutralitätspflicht konfrontiert. „Das lähmt einen, viele geben dann auf – Stadträte wie auch Bürgermeister.“ Mittlerweile gebe es bei Bürgermeisterwahlen häufig nur noch einen Kandidaten. 

Diffamierung und Rückzug aus der Politik

Thomas Zschornak war 32 Jahre lang für die CDU Bürgermeister in Nebelschütz – einer Vorzeigegemeinde im Landkreis Bautzen. 2022 war er auf einer Webseite anonym diffamiert und beschuldigt worden. Er schilderte, wie sie das Verhalten im Gemeinderat in den vergangenen Jahren veränderte. Anfangs seien die Beschlüsse einstimmig gefallen, inzwischen gehe es dort sehr laut zu. Zschornack wurde mit 30 Dienstaufsichtsbeschwerden mürbe gemacht. 

Über Torsten Pötzsch in Weißwasser wurden gezielt Falschinformationen über seine familiären Beziehungen gestreut. In seinem Briefkasten landeten Morddrohungen, an seinem Auto wurden die Radmuttern gelockert. Die Entwicklung habe seine Gesundheit angegriffen, sagte Pötzsch. Im September tritt er zur Oberbürgermeisterwahl nicht mehr an.