Die Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld stehen nur noch wenige Stunden. Unweit des Kraftwerks wollen viele Menschen die Sprengung möglichst nah sehen – und richten sich fast häuslich ein.
Ein Hubschrauber kreist über dem Gelände des einstigen Atomkraftwerkes Grafenrheinfeld bei Schweinfurt, die Schifffahrt auf dem nahen Main ist zeitweise gesperrt, kilometerlange Absperrbänder weisen auf die Sperrzone hin: „Wir haben alles für einen sicheren Ablauf der Sprengung getan und sind überzeugt, dass dieses Ereignis erfolgreich und sicher verlaufen wird“, sagt Projektleiter Matthias Aron.
Am Abend sollen die beiden Türme der Anlage kontrolliert in sich zusammenfallen. Bereits Stunden vor dem Spektakel haben sich hunderte Schaulustige auf den Wiesen und Feldern rund um das Kraftwerk niedergelassen. „Wenn man schöne Plätze haben will, muss man halt bald kommen“, sagt Olaf Müller, der mit seinem Bruder und dessen Freundin nur wenige hundert Meter vom Kraftwerk entfernt im Schatten sitzt. Picknickdecke, Sonnenschirm, Campingsstühle und eine Kühlbox hat das Trio dabei. Die drei hoffen auf eindrucksvolle Bilder für einen Slow-Motion-Film, den sie in der Familie zeigen wollen.
Atommüllfrage weiter ungeklärt
Dass die 143 Meter hohen Türme nun bald Geschichte sein werden, stört den 55-Jährigen aus dem rund 30 Kilometer entfernten Hofheim keineswegs. Seine Familie sei schon immer gegen die Atomkraft gewesen – die nach seinen Angaben teuerste Art, Strom zu erzeugen. Und eine Energieerzeugung, die die Menschheit auf immer beschäftigten werde. „Ein Endlager wird es nie geben“, sagt Müller. Aus seiner Sicht wäre es ohnehin schlauer, den Atommüll oberirdisch auf den einstigen Kraftwerksarealen zu lagern, so habe man mehr Kontrolle über die Castoren als in unterirdischen Deponien.
Familie Jüngling aus Haßfurt (Landkreis Haßberge) hat sich auf der anderen Mainseite nahe Bergrheinfeld niedergelassen – samt Klapptisch, Knabbersachen und Spielen. „Wir spielen hauptsächlich Rommé“, erzählt die 39-jährige Nicole. Alle seien schon ein wenig aufgeregt, vor allem ihr elfjähriger Sohn, auf dessen Drängen sie gekommen seien. „Ich mag es, wenn was weggesprengt wird“, erzählt Maximilian. Um 18.30 Uhr soll es losgehen – und binnen 30 Sekunden sollen die Betonkolosse nur noch Schutthaufen sein.
Seit 2018 läuft der Rückbau
Das AKW südlich von Schweinfurt war bis zu seiner Abschaltung das älteste noch aktive Atomkraftwerk in Deutschland. 1974 begann der Bau des Kraftwerks. Die erste Kettenreaktion wurde Ende 1981 angestoßen, von Juni 1982 floss Strom ins Netz. Bis 2015 war es 33 Jahre im Dienst. Seit 2018 läuft dort der Rückbau – und dauert wahrscheinlich auch noch zehn Jahre.
Fragen und Antworten zur Sprengung