Vereinigtes Königreich: Adejoké Bakare ist die erste Schwarze Köchin mit einem Michelin-Stern

Sie ist die erste Schwarze Sterneköchin des Vereinigten Königreichs – und wird dadurch zum Vorbild für Frauen auf der ganzen Welt. Ein Gespräch über die westafrikanische Küche, rassistische Vermieter und die Liebe zum Essen.

Adejoké Bakare, kurz Joké gennant, kocht in ihrem Londoner Restaurant „Chishuru“ Gerichte aus ihrer nigerianischen Kindheit, die sie modern interpretiert. Kürzlich wurde sie vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet, als erste Schwarze Köchin in Großbritannien. Die Inspektoren des Restaurantführers bezeichnen Bakares Küche als eine „voller Finesse“. Das „Chishuru“ zählt zu den erschwinglichsten Michelin-Stern-Restaurants in ganz London, für ein Sechs-Gang-Menü zahlt man umgerechnet 110 Euro (95 Pfund). Bewusst wählt Bakare nicht das Label „Fine-Dining-Restaurant“ – bei ihr sollen sich alle Gäste willkommen und heimisch fühlen.

Hinweis Schwarz Frau Bakare, Sie sind die erste Schwarze Köchin, die im Vereinigten Königreich mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Was bedeutet diese Anerkennung für Sie?
Bakare: Es ist nicht nur bedeutend für Großbritannien, sondern auch für Schwarze Frauen aus der Diaspora und auch aus Westafrika. Viele Köchinnen haben mich nach der Verleihung kontaktiert, sie waren inspiriert davon, weil ihnen bewusst wurde, dass sie das auch schaffen könnten. Ich bin zwar Besitzerin eines Restaurants, aber das hier ist kein Projekt. Es ist meine Verantwortung, meine Geschichte zu erzählen, die Plattform zu nutzen und ein Vorbild für andere Frauen, für Schwarze Frauen, zu sein.

Sie sind in Kaduna im Norden Nigerias aufgewachsen, mit einer Igbo*-Mutter und einem Yoruba**-Vater, was bedeutet, dass Sie eine Vielzahl unterschiedlicher kulinarischer Einflüsse hatten. Wie hat Sie das am Herd beeinflusst?
Jeder Stamm hat seine eigene Zubereitungsweisen und auch Sichtweisen, was das Kochen angeht. Ich hatte Glück, ich wurde bereits als Kind vielen verschiedenen Kulturen ausgesetzt. Egusi beispielsweise, ein Eintopf aus gemahlenen Melonenkernen, wird bei den Igbo mit sehr vielen Gewürzen wie Chilis und Cayennepfeffer zubereitet, bei den Yoruba dreht sich alles ums Gemüse, viel Paprika, Zwiebeln, Tomaten. In meinem Restaurant habe ich die Möglichkeit, die Geschmäcker zu vereinen, je nachdem worauf ich Lust habe. 

Ernten Sie dafür auch Kritik?
Es kommen immer wieder Gäste, die wollen, dass es so schmeckt wie bei ihrer Großmutter. Ich sage dann, dass ich nicht ihre Großmutter bin (lacht). Ich koche das Essen, das ich gern mag. Viele Nigeriannerinnen und Nigerianer, die hierher kommen, erkennen zwar das traditionelle Gericht, sind dann aber sehr positiv überrascht davon, wie ich es in meiner Küche interpretiere.

Haben Sie dafür ein Beispiel?
Moi-moi ist eigentlich ein gedämpfter Bohnenpudding, eine Art Terrine, mit Fisch, Eiern, Bohnen. Wir haben das Gericht dekonstruiert: mit kurz gegrillter Entenleber, einer Sauce aus Eiern und Fisch obendrauf. Sowas liebe ich ja: Das Gericht war als Moi-moi nicht mehr erkennbar, aber wenn man alle einzelnen Komponenten im Mund hat, fügt es sich wieder zusammen. Es ist eine sehr progressive Sichtweise auf das Essen, mit dem ich aufgewachsen bin.

Michelin-Stern für progressives Kochen

Wie würden Sie Ihren Kochstil beschreiben?
Als braunen Senf (lacht). Ich gehe mit der Zeit, aber ich fühle mich auch verantwortlich dafür, Essen nach traditionellen Rezepten zu kochen. Weil wir uns in meiner Küche natürlich auch davon entfernen. Unsere Esskultur ist nicht gut dokumentiert, beispielsweise in Kochbüchern. Was passiert also mit der Zeit? Die meisten Rezepte, die nicht von Mutter zur Tochter weitergegeben werden, verschwinden einfach. 

Sie bezeichnen Ihre Küche als modern westafrikanisch. Wie haben die Londonerinnen und Londoner auf die neuen Aromen reagiert?
Wir haben großes Glück, dass London so divers ist, mit Kulturen aus aller Welt. Die Londonerinnen sind sehr offen dafür, Neues auszuprobieren. Als wir eröffneten, kamen die Gäste sehr schnell zu uns zum Essen – einfach durch Mundpropaganda. Es ist gerade die beste Zeit dafür, in London etwas Neues anzubieten.

Ein Dessert wird serviert, Matt Paice, Bakares Geschäftspartner, sagt zu ihr: „Das hier musst du erklären“:

Bakare: Das ist ein Sorbet aus Ndolé, das sind Bitter Leaves, die im Norden Nigerias sehr typisch sind. Dazu gibt’s eine Crème Chantilly, aus Schlagsahne, ein Erdnuss-Crumble und Erdbeeren. In Kaduna, wo ich aufgewachsen bin, wird Zucker als böse verteufelt, ich versuche also, aus indigenen Zutaten ein modernes Dessert zuzubereiten. Natürlich auch angelehnt an die vielen britischen Nachspeisen, die es hier gibt. 

Woher beziehen Sie Ihre Produkte?
Wir versuchen, viel lokal zu beziehen, aber manche Produkte kriegt man hierzulande nicht. Beispielsweise Yaji, eine Gewürzmischung aus Ingwer, Chili und Erdnüssen aus dem Norden Nigerias. Dort gibt es Gewürzmacher, die die Mischungen herstellen, jeder von ihnen hat eine eigene Rezeptur, die geheim gehalten wird. Meine Familie hat ihre Gewürze immer von jemandem Bestimmten bezogen. Als ich nach London ging und das Restaurant eröffnete, habe ich einfach die Gewürzfamilie kontaktiert … Eine Reihe von Gerichten aus der Speisekarte von „Chishuru“, darunter Perlhuhn mit Yassa-Sauce und gegrilltem Hispi-Kohl mit Wassermelonensamen-Sauce
© Harriet Langford

Was kochen Sie für sich, wenn Sie einen schlechten Tag haben?
Oh, die Pfeffer-Suppe meine Mutter. Eine Brühe mit verschiedenen Gewürzen, viel Pfeffer. Dann kann man Gemüse oder Fisch hinzufügen. Ich esse sie gern mit Süßkartoffeln, sie ist süß und scharf zugleich. Danach geht es mir immer besser.

Haben Sie schon immer gern gekocht? 
Ich habe es von Kindesbeinen an geliebt. Meine Großmutter hat es mir beigebracht, ich war das älteste Geschwisterkind und war oft fürs Kochen verantwortlich. Mit zehn Jahren habe ich angefangen, Kochbücher zu sammeln. Ich habe es geliebt auf Märkte zu gehen und das Gemüse zu betrachten. Später habe ich dann Mikrobiologie studiert, aber nie in dem Feld gearbeitet. Als ich noch in Nigeria lebte, habe ich Dinnerpartys gegeben und meine Gäste haben gesagt, ich sollte ein Restaurant eröffnen. Dann zog ich nach Großbritannien.

Wie begann Ihre Karriere in London?
Ich verkaufte sonntagmorgens vor meiner Kirche im Südosten Londons Kuchen, Akara und Puffpuff aus einem Lieferwagen. Ich habe immer von einem eigenen Restaurant geträumt – und dann sah ich in der Londoner Lokalzeitung „Metro“ eine Anzeige für einen Wettbewerb, bei dem es um ein dreimonatiges Pop-up-Restaurant ging.

Sie haben gewonnen?
Ja – und der „Observer“ gab mir eine so gute Kritik, dass man mich bat zu bleiben. 2022 wurden wir dann von „TimeOut“ zum besten Restaurant Londons gekürt. Unsere Räumlichkeiten waren zu klein. Mein Geschäftspartner Matt und ich suchten dann etwas Größeres, zentral gelegen, so kamen wir nach Fitzrovia in Central London.

Wie schwer war es für Sie, als Schwarze Frau Fuß in der Gastronomie zu fassen?
Die Londoner Vermieter waren nicht sehr daran interessiert, ein westafrikanisches Restaurant in ihren Räumlichkeiten zu haben. Uns wurden Standorte, die wir haben wollten, schlichtweg verweigert. Und bei unserem jetzigen Standort sah es eine Zeit lang so aus, als würde das Geschäft scheitern und wir alles verlieren.

Sie haben sich nicht davon entmutigen lassen?
Die Antwort darauf waren Beharrlichkeit und Selbstvertrauen. Ich habe mich einfach geweigert, aufzugeben.

* Die Igbo sind eine afrikanische Ethnie von über 30 Millionen Menschen in Nigeria

** Die Yoruba oder Joruba sind ein westafrikanisches Volk, das vor allem im Südwesten Nigerias lebt