Die Zahl der Kurzarbeiter in der baden-württembergischen Wirtschaft steigt. Zuletzt waren voraussichtlich mehr als 60.000 Menschen betroffen. Die IG Metall rechnet mit einer weiteren Zunahme.
Angesichts der wirtschaftlichen Flaute rechnet die IG Metall Baden-Württemberg mit einer Zunahme der Kurzarbeit. „Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt haben wir im Südwesten aktuell doppelt so viele Beschäftigte in Kurzarbeit. Und das wird meines Erachtens noch zunehmen“, sagte die Bezirksleiterin der Gewerkschaft, Barbara Resch, der Deutschen Presse-Agentur.
Im Juli hatte zum Beispiel der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck Kurzarbeit in deutschen Werken ab September angekündigt. Wie viele Beschäftigte betroffen sein werden, war noch offen. Neben vielen kleineren haben in letzter Zeit aber auch bekanntere Unternehmen wie der Kabelhersteller Lapp, der Baumaschinenproduzent Liebherr, der Maschinenbauer Homag oder der Motorsägen- und Gartengerätehersteller Stihl auf das Instrument zurückgegriffen.
Zahl der Kurzarbeiter steigt
Die Zahl der Kurzarbeiter im Land war zuletzt deutlich gestiegen. Vorläufige hochgerechnete Daten liegen der Bundesagentur für Arbeit bis April vor: In dem Monat erhielten fast 61.000 Menschen konjunkturelles Kurzarbeitergeld, nach etwas mehr als 55.000 im März und rund 48.000 im Februar. Wenn sich die April-Hochrechnungen bestätigen sollte, wäre das fast dreimal so viel wie im Vorjahresmonat. Endgültige Zahlen weisen für den April 2023 rund 22.500 Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter im Südwesten aus.
Die Kurzarbeiterquote – also der Anteil der Kurzarbeiter an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – betrug den vorläufigen Daten zufolge im April 1,2 Prozent. Bundesweit waren es 0,6 Prozent. Dass der Südwesten stärker betroffen ist, dürfte unter anderem auf Probleme in den für das Land wichtigen Industriezweigen zurückgehen. So haben beispielsweise viele Maschinenbauer aktuell mit einer Auftragsflaute zu kämpfen.
Resch: „Die Wolken werden definitiv grauer“
Kurzarbeit sei für Betriebe ein gutes Instrument, um „Unterauslastungen durchzustehen und die Leute eben nicht rauswerfen zu müssen“, sagte die IG-Metall-Bezirksleiterin. Außerdem gebe es auch aktuell viele Betriebe, in denen die Geschäfte brummten. Aber: „Die Wolken werden definitiv grauer“. Neben angemeldeter Kurzarbeit gebe es auch mehr Anzeigen auf Massenentlassungen in Baden-Württemberg. „Die Anzeichen sind schon eher negativ.“
Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Wenn Unternehmen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten beispielsweise aus konjunkturellen Gründen kürzen müssen, soll dieses Sondergeld den Verdienstausfall der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil ausgleichen. So sollen Entlassungen vermieden werden.
Arbeitgeber, die ihre Situation als kritisch einschätzen, müssen bei der Agentur für Arbeit möglichst frühzeitig Kurzarbeit für einen bestimmten Zeitraum beantragen. Im Juli meldeten Südwest-Betriebe für rund 10.000 Beschäftigte Kurzarbeit an, einen Monat zuvor für rund 12.000. Ob diese auch in Anspruch genommen wird, zeigt sich aber immer erst später.
Probleme bei Autozulieferern
Für Sorgenfalten bei der Gewerkschaft sorgt auch die Situation der Automobilzulieferer im Land. Sie stehen durch den Wandel vom Verbrennungsmoor zur Elektromobilität vor großen Herausforderungen – die momentan dadurch verschärft werden, dass sich die E-Auto-Verkäufe nicht so entwickeln wie erwartet. So hatte beispielsweise ZF Friedrichshafen erst Ende Juli angekündigt, in den kommenden Jahren weltweit bis zu 14.000 Stellen streichen zu wollen. Und auch Branchenprimus Bosch hat solche Pläne, wenn auch in geringerem Ausmaß.
Aber auch bei kleineren Autozulieferern gab es zuletzt immer Nachrichten von Problemen. Resch kritisiert: „Das Management kommt oft zum mutlos daher. Bei Befragungen unserer Betriebsräte ist rausgekommen, dass sich nicht alle schon auf den Wandel eingestellt oder sich die Gedanken gemacht haben.“ Man müsse sich aber Gedanken machen und überlegen, was die Ziele für bestimmte Standorte sind.
Kein Schlingerkurs beim Verbrenner-Aus
„Ohne Personalabbau geht es nur, wenn man auch Zukunftsprodukte produziert“, sagte Resch. Daher brauche man keinen Schlingerkurs, sondern klare Signale beim Verbrenner-Aus. Man müsse jetzt den Kurs halten. „Ich glaube nicht, dass wir im weltweiten Wettbewerb durchkommen, wenn wir sagen, der Verbrenner läuft noch länger.“