Die Reform bei der Einbürgerung ist für Bayerns Kommunen wie erwartet eine große Herausforderung. Die Antragszahlen liegen auf Rekordniveau. Und: In zahlreichen Ämtern fehlt Personal.
Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz sollen Einbürgerungen letztlich schneller gehen. Ausländer können jetzt schon nach fünf statt nach acht Jahren Aufenthalt einen Antrag stellen, um Deutscher zu werden. Doch Geduld brauchen Einbürgerungswillige dennoch – denn die Ämter in Bayern sind seit Inkrafttreten des Gesetzes am 27. Juni völlig am Limit, wie eine dpa-Anfrage bei mehreren Kommunen zeigt. Die Antragszahlen sind teils exorbitant gestiegen.
Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind etwa gute Leistungen in Schule oder Job, gute Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Zudem ist Mehrstaatigkeit generell zugelassen.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden von Januar bis Mai 2024 monatlich durchschnittlich jeweils mehr als 5.600 Anträge gestellt. Im Juni waren es mehr dann als 8.400 Anträge, für Juli rechnet das Ministerium mit einer erneuten Steigerung.
Der Sprecher für Asyl– und Flüchtlingspolitik der Landtags-SPD, Arif Taşdelen, fordert mehr Einsatz für eine schnellere Einbürgerung und somit gesellschaftliche Teilhabe der Menschen. „Wir brauchen jetzt auch eine ‚Fast Lane‘ für eine schnelle und einfache Einbürgerung – denn alles andere ist respektlos denjenigen gegenüber, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, arbeiten, Steuern zahlen und sich einbringen.“
Personalmangel in Münchner Behörde
In der Stadt München lag die Zahl der Einbürgerungsanträge einem Sprecher zufolge im Juni 2024 genau 129,4 Prozent über dem Vormonat und gar 194 Prozent über dem Wert von Juni 2023. Anfang August habe die Gesamtanzahl der Einbürgerungsanträge für 2024 bereits 7 Prozent über den Gesamtanträgen des Jahres 2023 gelegen und 73 Prozent über den Gesamtanträgen von 2019. Die Wartezeit für Antragssteller betrage zurzeit 12 bis 18 Monate.
Demgegenüber steht ein deutliches Personaldefizit: Derzeit sind den Angaben nach 65,55 Prozent der Stellen besetzt, die sich um die Anträge kümmern. Von den vom Stadtrat bewilligten 20 Stellen seien inzwischen fünf besetzt worden, die restlichen freien Stellen befänden sich im Besetzungsverfahren.
Wie sieht es in Nürnberg aus?
Auch in Nürnberg schnellen die Antragszahlen nach oben. Waren es im gesamten Jahr 2023 genau 4310 Anträge, so gab es bis 30. Juni 2024 schon 2556 Anträge. In den folgenden knapp drei Wochen verzeichnete die Behörde laut einem Sprecher allein 865 Online-Anträge. Mit den steigenden Antragszahlen dürfte auch die Bearbeitungsdauer länger werden, hieß es.
Anreiz: Doppelpass
Auch die mit dem neuen Gesetz möglich gemachte generelle Zulassung eines Doppelpasses wirkt sich aus: Antragssteller kämen insbesondere aus Ländern, deren Staatsangehörigkeit bisher noch aufzugeben war, sagte der Sprecher aus Nürnberg. Er nannte beispielhaft Syrien, Irak, Ukraine, Russland und die Türkei.
Die Personalkapazität sei aufgestockt worden, sämtliche Stellen seien besetzt. „In welcher Höhe noch weiterer Personalbedarf besteht, ist abzuwarten“, teilte der Sprecher mit. Die neue Rechtslage bedeute für die Mitarbeiter, sich einzuarbeiten: „In-House Schulungen sind unerlässlich. Auch Quereinsteiger können sich bei vorhandenen Kompetenzen in das Rechtsgebiet einarbeiten.“
Auch in Ansbach mehr zu tun
Von einer höheren Arbeitsbelastung berichtet auch eine Sprecherin aus Ansbach. Weitere Stellen sollen beantragt werden, denn auch in der mittelfränkischen Bezirkshauptstadt ist die Nachfrage enorm gestiegen: Waren es im Jahr 2023 insgesamt noch 237 Anträge, so registrierte das Amt bis 24. Juli 2024 bereits 266 Anträge. Auch hier zeigt der langfristige Vergleich einen starken Zuwachs: 2019 gab es 114 Anträge.
Regensburg: „Am Rand der personellen Leistungsfähigkeit“
Deutliche Worte findet auch eine Sprecherin der Stadt Regensburg: „Die vom Bund durchgeführte Gesetzesänderung hat die Kommunen an den Rand der personellen Leistungsfähigkeit im Bereich der Einbürgerungsverfahren gebracht.“
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten sich über interne Schulungen und Selbststudium in die neue Rechtslage einarbeiten, was bei neuen Kräften bis zu einem Jahr dauere. „Das Staatsangehörigkeitsgesetz ist für neue Mitarbeitende schon immer ein sehr umfangreiches und schwieriges Rechtsgebiet gewesen.“
Bis 30. Juni 2024 seien in Regensburg 832 Anträge (1. Halbjahr 2023: 599 Anträge) gestellt und 1.460 Beratungsgespräche für Einbürgerungswillige durchgeführt worden.
Meiste Anträge in Aschaffenburg kommen von Syrern
In Aschaffenburg stammen die meisten Antragssteller aktuell aus Syrien, aber auch aus Russland und der Türkei, teilte eine Sprecherin mit. „Bis vor drei Jahren hatten wir rund 130 Einbürgerungen jährlich. Seither steigen die Zahlen sprunghaft. Im Jahr 2023 waren es 417 und dieses Jahr hoffen wir, 600 plus x zu schaffen.“ Bis Mitte Juli 2024 seien in der Stadt 318 Menschen eingebürgert worden. Mit dem steigenden Arbeitsaufkommen bräuchte es mehr Personal. Jedoch seien alle Stellen gemäß Stellenplan besetzt.
Lange Wartezeiten auch in Landshut und Bamberg
In Landshut brauchen Antragssteller auch Geduld. Die Wartezeit auf einen Beratungstermin betrage drei bis vier Monate, sagte eine Sprecherin. Die Bearbeitung des Antrages dauere dann ebenfalls mehrere Monate. Die Einbürgerungszahl in Landshut stieg von 173 im Jahr 2020 auf 432 im Jahr 2023.
Ähnlich sieht es in Bamberg aus, wo die Wartezeit einem Sprecher zufolge etwa drei Monate dauere. Die Zahl der Einbürgerungen stiegt von 172 im Jahr 2019 auf 499 im Jahr 2023. Bis zum 18. Juli 2024 seien bereits 178 Menschen eingebürgert und 271 weitere Anträge gestellt worden.
Die Lage in Rosenheim und Kempten
Im Landkreis Rosenheim wurden bis Mitte Juli den Angaben nach 433 Einbürgerungsanträge gestellt (2023: 369) – insbesondere aus Bosnien und Herzegowina, der Türkei und dem Kosovo sowie aus Syrien, Afghanistan und Rumänien. Einen starken Anstieg an Einbürgerungen verzeichnet auch die Stadt Kempten: von 66 im Jahr 2019 auf 280 im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 rechnet die Behörde laut Sprecher mit 450 Einbürgerungen. Die Bearbeitung der Fälle könnte deutlich beschleunigt werden, wenn mehr qualifiziertes Personal zur Verfügung stünde. Alle Planstellen seien momentan besetzt.