Annika Zillekens bekommt unverhofft eine neue Chance. Hektisch startet die Fünfkämpferin ins Olympia-Finale, muss sogar ein Metro-Ticket zweckentfremden. Ein Wunder bleibt aus.
Am Ende einer abenteuerlichen emotionalen Achterbahnfahrt lächelte Annika Zillekens geradezu vergnügt. Im Schlosspark von Versailles blieb der Modernen Fünfkämpferin zwar ein Happy End mit Medaille verwehrt. Aber Dank eines kurzfristigen Rückzugs der Britin Kate French konnte die 34-Jährige doch noch im Finale der Olympischen Spiele antreten, wurde 15. und freute sich über einen versöhnlichen Abschluss ihrer wechselvollen Karriere. „Ganz abschließend kann ich sagen, ich bin nicht zufrieden, aber ich bin glücklich. Ich gehe mit einem großen Lachen von den Olympischen Spielen nach Hause“, sagte die Berlinerin.
Die Vorgeschichte ihres letzten Wettkampfes war geprägt von Höhen und Tiefen, Enttäuschungen und unverhoffter Freude. Drei Jahre nach dem Eklat von Tokio hatten sie und ihre Teamkollegen Rebecca Langrehr am Samstag erneut ein Pferde-Drama erlebt. Ausgerechnet die Disziplin Springreiten, die letztmals bei Sommerspielen im Programm des Modernen Fünfkampfes ist und 2021 für so viel Empörung und Tierquälerei-Vorwürfe gesorgt hatte, wurde den deutschen Frauen erneut zum Verhängnis.
Vorgeschichte und Déjà-vu
In Tokio war Zillekens unter ihrem damaligen Namen Schleu in die Schlagzeilen geraten, als ihr Pferd sich komplett verweigerte und sie verzweifelt und unter Tränen versuchte, es durch Schläge mit der Gerte zum Weiterreiten zu bewegen. Die Bilder von damals gingen um die Welt, der Aufschrei war groß. Zillekens und die zum 30. September scheidende Bundestrainerin Kim Raisner wurden wegen Tierquälerei angezeigt, die Verfahren dann eingestellt.
Im Halbfinale von Versailles erlebte sie ein Déjà-vu. Als Zillekens mit Arezzo de Riverland antrat, strauchelte das Pferd heftig beim fünften Hindernis und verweigerte danach. „An dem Punkt ist der Wettkampf für mich einmal kurz zusammengebrochen“, erzählte sie später. Zwei Sekunden fehlten zum Finale – für das Zillekens nicht einmal zwei Stunden vor Wettkampfbeginn dann unverhofft doch noch die Teilnahmeberechtigung erhielt.
Nach Acht-Kilometer-Lauf ins Olympia-Finale
Um 9.20 Uhr begann die Hatz aus dem olympischen Dorf nach Versailles. „Da war ich aber schon acht Kilometer im olympischen Dorf laufen“, berichtete sie. Um 10.49 Uhr und damit elf Minuten vor dem Start saß sie zur Auftaktdisziplin auf ihrem Pferd. Zillekens legte einen fehlerfreien Ritt hin. „Ich bin so glücklich, dass ich nochmal einen schönen Ritt zeigen konnte, dass ich mich so von Olympia verabschieden kann. Das war das Wichtigste für mich heute“, sagte die fünfmalige Weltmeisterin.
Ohne Erwärmung und Vorbereitung sowie mit bleischweren Beinen lief es anschließend weder beim Fechten, noch beim Schwimmen und schon gar nicht beim abschließenden Laser-Run rund. „Als ich gemerkt habe, beim Laufen geht nicht mehr viel, konnte ich die Stimmung genießen“, sagte sie. In der Hektik des morgendlichen Aufbruchs fand Zillekens dann ihren Sichtschutz fürs Schießen nicht, den sie am Vortag an ihren Team-Kollegen Marvin Dogue (Potsdam) verliehen hatte. Die Lösung kam in Form einer Metro-Fahrkarte, die Bundestrainerin Raisner aus ihrem Fundus holte.
„Ich konnte die Spiele hier in Paris nochmal genießen. Ich hätte gern mehr gezeigt. Aber ich weiß, wie die Umstände waren. Das wäre wirklich ein Märchen gewesen, wenn das geklappt hätte“, bilanzierte Zillekens. Sie habe vier Olympische Spiele gehabt. „Ich habe jetzt viermal alles mitgenommen. Es ist nicht das Happy End, aber es ist eine schöne Geschichte, ich habe viel erlebt“, sagte die künftige Lehrerin zu ihrem Frieden mit Olympia.
Obstacle löst das Reiten ab
„Die Karriere ist definitiv beendet, ich werde nicht noch einmal Umsatteln auf das Obstacle Race“, bekräftigte Zillekens ihren Entschluss. Beim letzten Wettkampf mit Reiten bei Olympischen Spielen gewann die Ungarin Michelle Gulyas vor Elodie Clouvel aus Frankreich und Seong Seungmin aus Südkorea. Am Vortag hatten Marvin Dogue und Fabian Liebig beim Sieg des Ägypters Ahmed Elgendy die Ränge acht und zwölf belegt.
In vier Jahren in Los Angeles muss statt des Reitens ein „Ninja Warrior“-Parcour überwunden werden. „Wir sagen bye bye zu den Pferden. Wir sind voll konzentriert auf unsere neue Kombination mit dem Obstacle Race“, sagte Weltverbands-Präsident Klaus Schormann zum Abschluss.