Den deutschen Fünfkämpferinnen wird bei Olympia schon wieder das Reiten zum Verhängnis. Annika Zillekens erlebte zum Karriereende ein Déjà-vu von Tokio – die Teamkollegin erwischte es noch schlimmer.
Als Annika Zillekens im Hindernisparcours von Versailles ihr Déjà-vu erlebt, sitzt Teamkollegin Rebecca Langrehr auf einem Nebenplatz und weint bitterlich. Die deutschen Fünfkämpferinnen erleben drei Jahre nach dem Eklat von Tokio auch bei Olympia in Paris ein Pferde-Drama und verpassen das Finale um die Medaillen. Ausgerechnet die Disziplin Springreiten, die letztmals bei Sommerspielen im Programm des Modernen Fünfkampfes ist und 2021 für so viel Empörung und Tierquälerei-Vorwürfen gesorgt hatte, wird den deutschen Frauen erneut zum Verhängnis.
Dabei hatte Zillekens in Paris Frieden schließen wollen mit Olympia. In Tokio war sie unter ihrem damaligen Namen Schleu in die Schlagzeilen geraten, als ihr Pferd sich komplett verweigerte und sie verzweifelt und unter Tränen versuchte, es durch Schläge mit der Gerte zum Weiterreiten zu bewegen. Die Bilder von damals gingen um die Welt, der Aufschrei war groß. Zillekens und Bundestrainerin Kim Raisner wurden wegen Tierquälerei angezeigt, die Verfahren dann eingestellt. Selbst Morddrohungen erhielt die Sportlerin, wie sie berichtete.
Zwei Sekunden verhindern Hollywood-Story
All das wollten sie im deutschen Team abhaken und vor der malerischen Kulisse des Schlosses Versailles wieder für gute Nachrichten sorgen. Als Zillekens dann aber mit Arezzo de Riverland antrat, strauchelte sie heftig beim fünften Hindernis, das Pferd verweigerte danach. „An dem Punkt ist der Wettkampf für mich einmal kurz zusammengebrochen“, erzählte sie später. Die 34-Jährige ritten den Parcours zu Ende, handelte sich aber durch den Patzer viele Punkte Abzug ein. Sie schaffte es beim Bonus-Fechten, dem Schwimmen sowie dem Laser-Run nicht mehr, unter die besten Neun ihres Halbfinales zu kommen. Bitter: Als Zehntplatzierter fehlten ihr zwei mickrige Sekunden zum Weiterkommen.
Damit verpasste die erfahrene Athletin das Finale am Sonntag und einen versöhnlichen Abschluss ihrer Karriere – sie hört mit dem Leistungssport auf und wird Lehrerin. „Das war nicht das Happy End und die Hollywood-Story, die ich mir gewünscht hätte“, sagte Zillekens danach mit Tränen in den Augen. „Im Verhältnis zu Tokio aber habe ich meinen Frieden geschlossen.“ Dann machte sie sich auf, ihre Freunde, Familie und die kleine Tochter Frieda unter den Zuschauern in den Gärten von Versailles zu suchen. Sie wollte danach den Männern die Daumen drücken, die am Abend ihr Finale bestreiten.
Deutsche Fünfkampf-Reiterinnen wie verhext
2008 war Lena Schöneborn in Peking Olympiasiegerin geworden – seitdem ist es wie verhext beim Reiten. „Ich bin so enttäuscht, dass wir es nicht schaffen, bei Olympia zu zeigen, dass wir Deutsche gute Reiter sind“, haderte Zillekens. Immer wieder bringen Probleme mit den Tieren die Sportlerinnen um den Erfolg – und der Tiefpunkt war dann in Tokio erreicht. Im Wissen um besondere Anspannung hatten die Fünfkämpferinnen am vorletzten Olympia-Tag zur Unterstützung sogar eine Sportpsychologin des DOSB mit nach Versailles genommen.
Und dann endete der Wettkampf für Zillekens‘ Teamkollegin Langrehr schon vor Beginn des Events. In der Vorbereitung auf ihren Einsatz stürzte die Berlinerin mit ihrem Pferd auf dem Abreiteplatz und knallte auf den Hinterkopf. Das Tier wurde nach dem Unfall sofort aus dem Rennen genommen – für einen Pferdetausch aber war es zu spät. Ein deutscher Protest wurde abgewiesen. Die 26-Jährige brach in Tränen aus, etliche Betreuer trösteten sie.
Unverständnis über Jury-Entscheidung
„Das Pferd kam mir in Ordnung vor. Ich habe den Besitzer gefragt und er sagte, es sei alles gut“, schilderte Langrehr danach. Das Verhalten der zuständigen Veterinärin sorgte im Team für Unverständnis. „Wir haben nie gesehen, dass sie das Pferd überhaupt gecheckt hatte“, sagte Langrehr. Sie selbst sei untersucht worden, „da war alles in Ordnung“.
Mit null von 300 möglichen Punkten aus dem Reiten hatte Langrehr keine Chance mehr, unter die besten neun Sportlerinnen zu kommen. Sie wurde Letzte ihres Halbfinals. „Ich bin sehr aufgewühlt, enttäuscht und traurig“, sagte sie. Die Freude am Fünfkampf aber will sie sich selbst von der Episode nicht nehmen lassen – und visiert schon 2028 in Los Angeles an. „Ich will mindestens noch ein gutes Olympia schaffen.“