„Alien“-Regisseur Ridley Scott erzählt in einem Actionfilm die Geschichte des letzten Gottesurteils im alten Frankreich. Ein Star-besetztes Drama nach wahren Begebenheiten – mit Bezügen zur Gegenwart.
Wer als Kind gern Bücher über ehrenhafte Ritter und ihre edlen Turniere gelesen hat, sollte „The Last Duel“ am Sonntagabend (23.30 Uhr / RTL) vielleicht besser nicht einschalten. So manche Illusion könnte wie ein Kartenhaus zusammenfallen in diesem mit Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer und Ben Affleck hochkarätig besetzten US-Historiendrama. Da wird auch mal das Pferd des Gegners massakriert, um den Mann zu Fall zu bringen. Und gern rammt man den Dolch einfach feige in die Kniekehle. Ja, extrem brutal muss es zugegangen sein am 29. Dezember 1386, als in Frankreich zum letzten Mal zwei Edelleute mit Lanze, Axt und Stichwaffen darum kämpfen durften, wer vor den Augen Gottes in einer Streitsache – unanfechtbar – recht hat.
Es geht um schwere Vorwürfe: Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) hat das königliche Gericht angerufen, weil seine junge Frau Marguerite (Jodie Comer) im eigenen Haus vergewaltigt wurde. Der Beschuldigte ist ausgerechnet Jeans bester Freund, Jacques Le Gris (Adam Driver). Jacques soll sich trickreich Zugang zum Sitz der Carrouges verschafft haben, in dem Marguerite durch eine Verkettung von Ereignissen dem stärkeren und bewaffneten Angreifer allein und schutzlos ausgeliefert war.
Drei Perspektiven
Die Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen die Vorgeschichte der Tat nacheinander aus drei unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Es sind die Erinnerungen von Jean, Jacques und Marguerite. Zuweilen wiederholen sich Szenen Bild für Bild, manche Dialoge Wort für Wort, doch ständig aufs Neue entfernen sich die Darstellungen voneinander.
Jean, der das Verbrechen nicht erlebte, sieht die Tat als Anschlag auf sich selbst, als das Ende einer Kette von Demütigungen durch Jacques. Jacques wiederum verklärt die Vergewaltigung als Höhepunkt seiner leidenschaftlichen Verehrung. Und Marguerite sieht sich als hilfloser Spielball zwischen zwei Männern, die sie beide als Objekt behandeln.
Ein Science-Fiction-Kenner reist in die Vergangenheit
Es ist kein Zufall, dass der 2021 veröffentlichte Film zu einer Zeit entstand, als die #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Herabwürdigung von Frauen weltweit gerade auf ihrem Höhepunkt war. Regisseur Ridley Scott, der seine Fans mit den Blockbustern „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982) einst in eine entfernte Zukunft mitnahm, reist dieses Mal weit in die Vergangenheit – und greift doch ein Problem der Gegenwart auf. Die Schikanen des Gerichts gegen das Opfer sind ungeheuerlich und grausam, aber wohl zugleich eine Parabel auf die Vorurteile vieler Männer, die es in anderem Ausdruck noch heute gibt.
Sieg oder Scheiterhaufen
Dies sei einer der ersten erfassten Fälle der Geschichte, in dem eine Frau sich gegen die Macht der Männer über Frauen gewehrt habe, sagte Ben Affleck, der gemeinsam mit Damon und Nicole Holofcener das Drehbuch schrieb, 2021 bei der Premiere beim Filmfestival in Venedig. Bei dem letzten in Frankreich gerichtlich angeordneten Duell gibt es für Marguerite nur dann Gerechtigkeit, wenn ihr Mann den mutmaßlichen Vergewaltiger tötet. Verliert er, landet sie für das unrechtmäßige Anklagen einer Vergewaltigung auf dem Scheiterhaufen. Es steht also viel auf dem Spiel bei dem Gemetzel, das dem Film den Namen gibt.