Mit seiner Rolle des Prof. Dr. Dr. Boerne im „Tatort“ wurde Jan Josef Liefers zum Publikumsliebling. Jetzt feiert er seinen 60. Geburtstag.
Natürlich tut man Jan Josef Liefers (60) unrecht, wenn man ihn nur auf seine Rolle des Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne im Münster-„Tatort“ reduziert. Denn der am 8. August 1964 in Dresden geborene Künstler ist ein ausgesprochenes Multitalent.
Als Schauspieler gilt er als einer der versiertesten Komödianten, die der deutsche Film und das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Dass er trotz seiner Vorliebe für ironisch gebrochene Figuren auch ernsthafte Rollen beherrscht, stellte er unter anderem in dem Grimme-Preis-prämierten Fernsehzweiteiler „Das Wunder von Lengede“ (2003) oder der Verfilmung von Uwe Tellkamps (55) Bestseller „Der Turm“ aus dem Jahr 2012 eindrucksvoll unter Beweis.
Wie seine Ehefrau Anna Loos (53) betätigt er sich neben der Schauspielerei auch noch als ernstzunehmender Musiker. Während Loos über lange Jahre in der Band Silly die früh verstorbene Sängerin Tamara Danz (1952-1996) ersetzte, ging Liefers seit 2006 mit seiner Band Radio Doria (vormals Jan Josef Liefers & Oblivion) regelmäßig auf Tournee. Seine markante Stimme setzt er zudem auch ausgiebig als Synchronsprecher in amerikanischen Animationsfilmen und als Sprecher in mittlerweile über 30 Hörspielen und Hörbüchern ein.
Darüber hinaus ist Jan Josef Liefers gesellschaftspolitisch äußerst engagiert und setzt sich in vielen, oft selbst initiierten, Projekten für soziale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung oder die Förderung von sportlichen Aktivitäten von Jugendlichen ein. Für sein überdurchschnittliches Engagement erhielt er im Jahr 2011 sogar das Bundesverdienstkreuz.
Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne – die Rolle seines Lebens
Doch ob Jan Josef Liefers dies beliebt oder nicht – Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne, den er seit über 20 Jahren an der Seite von Axel Prahl (64) verkörpert, ist vermutlich die Rolle seines Lebens. Die Rolle des versnobten Rechtsmediziners hat ihn zum Publikumsliebling gemacht. Und mit der Zeit hat er sich bis zur Perfektion in diese skurrile Figur eingearbeitet.
Dabei war er eigentlich gar nicht für die Rolle vorgesehen. Wie das Drehbuchautoren-Duo Stefan Cantz (68) und Jan Hinter (72), welches die Figurenkonstallation des Münster-„Tatorts“ und einen Großteil der Skripte entwickelte, in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ berichtete, sei ursprünglich der Schauspieler Ulrich Noethen (64) für die Rolle angefragt worden. „Aber nachdem er die ersten Konzepte gesehen hatte, hat er abgesagt“, so Cantz amüsiert. „So kam ganz schnell die Idee mit Jan Josef Liefers auf. Entschieden hat sich das erst kurz vor dem Produktionsbeginn.“
Das reale Vorbild des Professors
Jan Hinter ergänzte in dem Gespräch, dass die Idee für einen Münster-„Tatort“ seinerzeit eine „politische Entscheidung“ gewesen sei. „Die Region Münster sollte in NRW offenbar medial gestärkt werden“, so der Autor. „Und weil in Münster ein höchst renommierter Rechtsmediziner arbeitet, kam man auf die Idee der Figur des Professor Boerne, der gleichberechtigt dem klassischen Kommissar zur Seite gestellt werden sollte.“
Bei diesem realen Vorbild handelte es sich um Prof. Bernd Brinkmann (85), der zwischen 1987 und 2007 als Direktor der Münsteraner Rechtsmedizin tätig war. Nicht zuletzt durch seine Rolle als Gutachter im Sensations-Prozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann (66) in den Jahren 2010 bis 2011 wurde ihm größere Bekanntheit zuteil. In mehreren Interviews beteuerte Brinkmann vehement, den „Münster“-Tatort trotz der Bezüge auf seine Person nur selten eingeschaltet zu haben. Den „Westfälischen Nachrichten“ sagte er über die Figur des Prof. Dr. Dr. Boerne: „Er ist mir gar nicht ähnlich.“
Legendäres Boerne-Outfit als Tarnung
Auch Jan Josef Liefers legte von Anfang an Wert darauf, seiner komödiantischen Figur möglichst wenig Ähnlichkeit mit seinem realen Ich zu verpassen. Das mittlerweile legendäre äußere Erscheinungsbild des selbstverliebten Rechtsmediziners aus tadellosen Anzügen, einer spießigen Fünfzigerjahre-Brille und einem markanten Henriquatre-Bart habe er selbst entwickelt. In der TV-Talkshow „Riverboat“ sagte er „Tag24“ zufolge dazu: „Ich spiele ja auch gerne andere Rollen und da dachte ich: ‚Du musst aufpassen, dass du dann nicht komplett verwechselt wirst'“. Schließlich werde auch der unbeliebteste „Tatort“ immer noch millionenmal geschaut. „Ich hab mir den Bart und die Brille, den Anzug und den Schlips ausgedacht, weil ich privat fast nie so anzutreffen bin“, so der Schauspieler.
Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ verriet er, dass er im Jahr 2004 sogar mit seinem Boerne-Bart geheiratet habe, weil die Hochzeit mit Anna Loos während der Dreharbeiten zum Münster-„Tatort“ stattgefunden hätte. Sein Plan, ohne das Boerne-Kostüm in der Öffentlichkeit nicht von „Tatort“-Fans erkannt zu werden, sei anfangs noch aufgegangen. Seit er mit seinem privaten Look häufiger in TV-Shows präsent sei, habe sich dieser Effekt jedoch in Luft aufgelöst. „Heute erkennen mich Menschen sogar im Schwimmbad oder am Strand mit nassen Haaren und in Badehose“, so Liefers. „Die Leute lassen sich nicht mehr täuschen durch die Abwesenheit des Barts. Mir ist es auch schon passiert, dass ich geblitzt wurde und das Beweisfoto in fünffacher Ausfertigung zugeschickt bekam – mit der Bitte um ein Autogramm. Zahlen musste ich aber trotzdem.“
Boerne ist nicht Liefers
Im Interview mit dem „Focus“ betonte er, sehr froh darüber zu sein, neben dem Boerne „noch viele, verschiedene andere Rollen spielen“ zu dürfen, mit denen er ebenfalls erfolgreich sei. Denn: „Die Angst von Schauspielern, auf eine einzige Figur festgelegt zu werden, ist ja nicht ganz unbegründet.“ Prof. Dr. Dr. Boerne sei eine echte Nervensäge, den die Zuschauer liebten, aber „im wahren Leben will man so einen doch nicht als Chef haben. Da kriegt man ja einen Knall“.
Dem Magazin „Berliner Leben“ beschrieb er seine bekannteste Rolle mit folgenden Worten: „Der ist so ein richtig aus der Zeit gefallener Typ, wohlhabend, ein Snob, ein Genießer, ein arroganter Kerl, kultiviert, mit Manieren, meistens klug, oft aber auch wieder doof. Er ist schnell im Kopf und einen Moment später hat er eine endlos lange Leitung, verbal ein Scharfschütze, aber emotional ein Drittklässler, ein Wagnerianer, politisch unkorrekt und fachlich brillant.“ Eine derart polarisierende Figur würde wahrscheinlich heutzutage in Drehbüchern so lange umgearbeitet, bis sich niemand mehr auf den Schlips getreten fühlen könne. „Ich finde schön, dass es ihn gibt“, so Jan Josef Liefers. „Es ist eine Freude, ihn zu spielen, aber er hat wenig mit mir privat zu tun.“