Zwei frühere Wirecard-Vorstände sollen an dem mutmaßlichen jahrelangen Milliardenbetrug nicht beteiligt gewesen sein. Angeklagt werden sie dennoch.
Nach über vierjährigen Ermittlungen im Wirecard-Skandal hat die Münchner Staatsanwaltschaft zwei weitere Ex-Vorstände des 2020 zusammengebrochenen Wirecard-Konzerns angeklagt. Die Ermittler werfen dem früheren Finanzvorstand Alexander von Knoop und der ehedem im Wirecard-Vorstand für die Produktentwicklung zuständigen Managerin Susanne Steidl mehrere Fälle von Untreue mit einem Schaden von mehreren hundert Millionen Euro für den einstigen Dax-Konzern vor. So sollen die beiden an Vorstandsbeschlüssen beteiligt gewesen sein, Firmengelder ohne Sicherheiten an Wirecard-Geschäftspartner zu vergeben. Im nächsten Schritt muss nun das Landgericht München I über die Zulassung der Anklage entscheiden.
Die Ermittler gehen jedoch nicht davon aus, dass die beiden in den mutmaßlichen Milliardenbetrug verwickelt waren, wegen dessen der frühere Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager seit Dezember 2022 in München vor Gericht stehen. Die Anwälte von Knoops betonten, dass der frühere Finanzvorstand zu „keiner Zeit Kenntnis von etwaigen Machenschaften zum Nachteil der Wirecard AG und deren Aktionären durch andere verantwortliche Personen der Wirecard-Gruppe“ gehabt habe. „Zu keiner Zeit hatte Herr von Knoop die Absicht oder auch nur die Vorstellung, Gesellschaften der Wirecard-Gruppe bei seinem Handeln zu schädigen.“ Ein Sprecher Steidls sagte, er könne keine Stellungnahme zu einem laufenden Verfahren abgeben.
Steidl und von Knoop waren im Januar 2018 in den Wirecard-Vorstand aufgerückt, lange nachdem Braun laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit etlichen Komplizen in- und außerhalb des Konzerns eine Betrügerbande gebildet haben soll. Die ebenso wie Braun und der seit 2020 untergetauchte frühere Vertriebsvorstand Jan Marsalek aus Österreich stammende Steidl hatte als Zeugin im Prozess auch persönlich betont, von Betrug nichts gewusst zu haben.
Die von der Staatsanwaltschat vermutete Wirecard-Bande mit Braun und Marsalek in maßgeblichen Rollen soll die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters jahrelang mit erfundenen Scheingeschäften aufgebläht haben, um den eigentlich defizitären Konzern über Wasser zu halten. Opfer waren laut Anklage im Wesentlichen die kreditgebenden Banken, den Betrugsschaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf gut drei Milliarden Euro. Braun bestreitet seit Prozessbeginn sämtliche Vorwürfe.
Der Hauptvorwurf: Kreditvergabe ohne Sicherheiten
Auch wenn Steidl und von Knoop in den Milliardenbetrug nicht eingeweiht waren, sollen sie dennoch gegen ihre Pflichten verstoßen haben, weil sie Firmengelder quasi ins Blaue hinein vergaben. Unter anderem geht es dabei um ein Darlehen von 100 Millionen Euro, das Wirecard nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2020 ohne Sicherheiten an eine Singapurer Firma namens Ocap überwies. Ocap war nach den bisherigen Erkenntnissen im Prozess gegen Braun Teil eines schwer durchschaubaren Firmengeflechts, über das Wirecard-Gelder hin und her geleitet wurden, um schließlich in dunklen Kanälen zu verschwinden. Ende 2023 hatte die Staatsanwaltschaft München I bereits von Knoops Amtsvorgänger als Finanzvorstand angeklagt.