2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein – zwei Menschen starben, Dokumente wurden verschüttet und eine Frage schwebte über allem: Wer war schuld? Nun hat das Landgericht eine Entscheidung getroffen.
Mehr als 15 Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Toten hat das Landgericht Köln die Strafverfahren gegen die vier verbliebenen Angeklagten gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Angeklagte hätten diesem Schritt zugestimmt, hieß es in einer Mitteilung. Sollten die Angeklagten die Auflagen erfüllen, würden die Strafverfahren endgültig eingestellt.
Das bedeutet nach Angaben des Gerichts zugleich, dass es – nach sehr langer juristischer Aufarbeitung des Falls – keine erneute Hauptverhandlung mehr geben würde. Die Geldauflagen wurden auf 5.000 Euro, beziehungsweise 2.000 Euro festgesetzt. Empfänger soll ein Förderverein des Stadtarchivs werden.
Zu dem katastrophalen Unglück war es am 3. März 2009 gekommen. Ursache waren gravierende Fehler beim Bau einer neuen U-Bahn-Haltestelle in umittelbarer Nähe des Archivs, wie das Landgericht später feststellte. Demnach sei bereits 2005 beim Aushub einer Grube ein dicker Gesteinsblock entdeckt worden. Als der sich nicht entfernen ließ, ließ man ihn einfach drin. Durch das Hindernis bildete sich eine Fehlstelle an einer unterirdischen Wand, die fatale Folgen haben sollte. Am Unglückstag brachen große Mengen Wasser und Sand in die Grube durch. Dem Archiv wurde der Boden entzogen.
Von den vielen Beschuldigten blieben nicht viele übrig
Bis heute ist das Unglück in den Köpfen und im Kölner Stadtbild präsent. Erst im vergangenen Jahr wurde damit begonnen, den riesigen Krater zu schließen. 2020 stimmte der Kölner Stadtrat einem Vergleich über die Begleichung des Schadens zu. 2021 wurde ein neues Archiv eröffnet. Von den ursprünglich knapp 100 Beschuldigten, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt hatte, blieben am Ende allerdings nicht viele übrig.
Bei zwei Angeklagten – einem Baggerfahrer und einem Polier – konnte zudem kein Urteil gesprochen werden. Der Baggerfahrer starb und der Polier wurde aufgrund einer Erkrankung verhandlungsunfähig. Dadurch verjährte die vorgeworfene Tat.
Den vier Angeklagten, um die es nun noch ging, war in unterschiedlichen Zusammenhängen eine Beteiligung an dem Unglück vorgeworfen worden. Einer von ihnen, ein von den örtlichen Verkehrsbetrieben mit der Bauüberwachung beauftragter Mann, wurde 2018 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Zwei Bauleiter wurden freigesprochen. 2019 wurde ein Oberbauleiter wegen fahrlässiger Tötung ebenfalls zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hob die Freisprüche und Verurteilungen später allerdings auf und verwies die Verfahren zurück an das Landgericht. Unter anderem monierte der BGH Gerichtsangaben zufolge, dass bei den Freisprüchen wichtige Umstände zu den Sorgfaltspflichten außer Betracht gelassen worden seien.
Gericht sieht „lediglich“ eine „mittelbare Verantwortlichkeit“
Nun wurden alle vier Verfahren vorläufig eingestellt. Das Gericht argumentierte, dass den Angeklagten „lediglich“ eine mittelbare Verantwortlichkeit für die Havarie der Baugrube zum Vorwurf gemacht werden könne. Für den unmittelbaren Schaden seien vielmehr die beiden einst Mitangeklagten, der Baggerfahrer und der Polier, in den Fokus zu nehmen, die nicht mehr verfolgt werden könnten. Im Verhältnis zu diesen beiden sei die „etwaige Verantwortlichkeit der verbliebenen Angeklagten als geringer zu bewerten“, hieß es.
Auch die lange Zeit, die seit dem Einsturz ins Land ging, spielte bei der Entscheidung eine Rolle. Das Gericht erklärte, dass das Interesse an weiterer Strafverfolgung mittlerweile gesunken sei. Seit dem Einsturz seien mehr als 15 Jahre vergangen. Zudem sei die Frage nach der technischen Ursache für das Unglück bereits hinreichend aufgeklärt worden. Darüber hinaus gebe es keine wesentlichen neuen Beweismittel.
Im Gegenteil: Es sei zu erwarten, dass sich Zeugen mittlerweile nur noch eingeschränkt erinnern könnten.