Fried – Blick aus Berlin: Was die Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz mit Kartoffeln zu tun hat

Manchmal finden die verrücktesten Sachen zusammen: Friedrich Merz, das Kartoffeltheorem, eine Zündschnur. Und plötzlich ist der Mann Kanzler.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sorgt für gewöhnlich schnell mal für Aufregung. Ob mit dem Begriff der „kleinen Paschas“ oder seiner Klage über Migranten, die angeblich republikweit Arzttermine blockieren – Merz hat sich schon so manchen Ärger eingehandelt. Außerdem gilt er als leicht reizbar, man spricht in Verbindung mit dem Sauerländer gern von einer kurzen Zündschnur.

Trotzdem lässt sich auf Merz und seine Bedeutung in der CDU in recht plausibler Weise das sogenannte Kartoffeltheorem anwenden. Wer das Kartoffeltheorem wirklich erfunden hat, ist nicht ganz klar. Meist wird es dem Autor Rolf Breitenstein zugeschrieben, der 1974 ein Buch unter diesem Titel veröffentlichte. Wäre jenes Werk tatsächlich die Quelle, würde das Kartoffeltheorem in diesem Jahr 50 Jahre alt. Wie passend.

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt

Worum geht es? Friedrich Merz müsste das Kartoffeltheorem kennen, schließlich glaubt er, von Wirtschaft ja etwas zu verstehen. Auf Wikipedia wird dazu erläutert, es handele sich um eine „Art moderne Bauernregel der Ökonomie“, wonach bisweilen ein Bedarf befriedigt wird, der eigentlich nicht bestanden hat, sondern erst nachträglich erzeugt wurde. Volkstümlich umschrieben heißt es zum Beispiel: Jetzt sind die Kartoffeln da, dann essen wir sie auch. Daher der Name des Theorems. Oder, kürzer und knackiger: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Und auf die Beamtenstube umgelegt: Nun haben wir die Vorschrift verhängt, dann wenden wir sie auch an.

STERN 22_24 Fried 13:07

Genau so verhält es sich mit der Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz. Es gibt andere Unionspolitiker, die in den persönlichen Umfragen viel besser abschneiden als Merz, namentlich Markus Söder und Hendrik Wüst. Trotzdem wird Merz als CDU-Vorsitzender wohl das Rennen machen. Selbst Merz-Skeptiker sagen mittlerweile: Jetzt ist er schon mal da, dann nehmen wir ihn auch.

An der Stelle verbindet sich nun die kurze Zündschnur mit dem Kartoffeltheorem. Denn dass Merz Kanzlerkandidat wird, bedeutet für andere logischerweise, dass sie es nicht werden. Erst mal. Diese Aspiranten müssen nun klammheimlich darauf hoffen, dass Merz sich alsbald wieder einen Fauxpas leistet, irgendwas, das alle aufregt. Ein Laschet-Lachen, nur als Merz-Mist. Dann bekämen sie vielleicht doch ihre Chance.

Plötzlich ist Merz die Ruhe selbst

Wer allerdings die beiden Sommerinterviews von Friedrich Merz in ARD und ZDF gesehen hat, kann für Hendrik Wüst und Markus Söder nur einen Schluss ziehen: Vergesst es! 2023 verhedderte sich Merz in einem Sommerinterview noch bei der Zusammenarbeit mit der AfD. Da wäre er fast weg gewesen. Nichts Vergleichbares in diesem Jahr.

STERN PAID 10_24 Wüst IV

Im Gegenteil: In beiden Interviews verströmte Merz von Beginn an eine sagenhafte Langeweile. Egal, ob Pflege, Raketen oder Schuldenbremse – das Thema, bei dem sich der CDU-Chef wirklich festlegt, scheint noch nicht gefunden zu sein. Merz’ Formulierungen gehen in etwa so: Das werden wir dann sehen. Da werden wir noch Antworten finden. Und wenn es um die Frage geht, wer all dieses Nichts bezahlen soll, sagt er: Da gibt es verschiedenste Möglichkeiten.

Friedrich Merz, plötzlich die Ruhe selbst. Man muss sich das noch mal klarmachen: Er wurde von Angela Merkel ausgebootet. Er hatte die Politik schon aufgegeben. Er hat drei Anläufe für den Parteivorsitz gebraucht. Aber jetzt arbeitet der Mann, für den es eigentlich keine Nachfrage mehr gab, daran, dass die Wähler 2025 sagen: Nun ist er schon mal da, dann …