Das Viertelfinale gerät für Alexandra Popp und Co. zu einem nervenaufreibenden und kräftezehrenden Geduldsspiel. Am Ende ist Ann-Katrin Berger die Heldin – und der Olympia-Traum lebt weiter.
Beim spontanen Siegerfoto brüllten Elfmeterheldin Ann-Katrin Berger und ihre Mitspielerinnen ihre ganze Freude raus, Bundestrainer Horst Hrubesch strahlte über das ganze Gesicht. Nach zwei gehaltenen Schüssen vom Punkt verwandelte die Torhüterin den letzten Elfmeter cool selbst. Beim nervenaufreibenden Krimi im Olympia-Viertelfinale in Marseille gegen Kanada hieß es am Ende 4:2 für das Team von Hrubesch, nachdem in regulärer Spielzeit und Verlängerung keine Tore gefallen waren. Damit lebt der Traum von einer Medaille bei den Olympischen Spielen weiter für die DFB-Frauen – im Halbfinale am Dienstag gibt es nun in Lyon ein Wiedersehen mit den USA.
„Wir haben eine Maschine im Tor“, sagte Kapitänen Alexandra Popp im ZDF. Elfmeter zu halten, sei gefühlt Bergers Paradedisziplin. „Und dass sie dann eiskalt den selber noch reinmacht – Chapeau, da ziehe ich meinen Hut vor, dass man dann da noch so kaltschnäuzig ist“, sagte die Stürmerin.
Vor nur etwa 8.000 Zuschauern im Stade Vélodrome konnte die deutsche Auswahl ihre spielerische Überlegenheit gegen Kanada lange nicht nutzen. Ein Jahr nach dem WM-Debakel von Australien verhinderten sie aber ein Ausscheiden gerade noch.
Mit dem Halbfinal-Einzug verschob auch Hrubesch seinen Abschied als Interimscoach der EM-Zweiten. Das 73 Jahre alte HSV-Idol wird nach den Sommerspielen von Christian Wück, dem Weltmeister-Trainer der männlichen U17, abgelöst.
USA erreicht Halbfinale
Die viermaligen Goldmedaillengewinnerinnen aus den USA hatten sich zuvor gegen Japan mit 1:0 nach Verlängerung durchgesetzt. Die Amerikanerinnen hatten den deutschen Frauen beim 4:1 in der Vorrunde eine Lehrstunde erteilt.
Die Partie gegen die kanadischen Olympiasiegerinnen von Tokio begannen die DFB-Frauen mit Abwehrchefin Marina Hegering nach überstandenen muskulären Problemen. Zur Startelf gehörte auch Mittelstürmerin Lea Schüller vom FC Bayern München. Die dreifache Turniertorschützin hatte sich beim 4:1 gegen Sambia eine Schulterprellung zugezogen, konnte aber auflaufen.
Bei den Kanadierinnen stand wieder Andy Spence als Interimscoach an der Seitenlinie. Sein Team hatte es trotz eines Sechs-Punkte-Abzugs wegen des Drohnen-Eklats in die erste K.-o.-Runde geschafft. Unter anderem wurde Nationaltrainerin Bev Priestman vom Weltverband FIFA für ein Jahr von allen Fußball-Aktivitäten gesperrt.
Schüller und Brand vergeben das frühe 1:0
Dass die Nordamerikanerinnen angesichts des Skandals und seiner Folgen enger zusammengerückt sind, das wussten auch die deutschen Frauen. So entwickelte sich ein zäher Abnutzungskampf im Mittelfeld, bei dem der DFB-Elf nach vorn zunächst mehr einfiel. Schüller (11.) und Klara Bühl (18.) vergaben gleich zwei dicke Schusschancen – das von Hrubesch immer wieder beklagte Dilemma.
Auch Linksaußen Jule Brand zog immer wieder ihre Sprints an. Die spielerische Überlegenheit des Hrubesch-Teams geriet im Laufe der ersten Halbzeit immer offensichtlicher. Hinten hatte die Viererkette um Hegering alles im Griff, zu unpräzise griffen die Kanadierinnen an. Allerdings ließ sich das Team von Kapitän Alexandra Popp dann immer mehr einschläfern vom wenig temporeichen Spiel des Gegners und agierte zunehmend fahrig und drucklos.
DFB-Elf am Ende der regulären Spielzeit im Glück
Nach der Pause fanden die deutschen Spielerinnen einfach kein Durchkommen. Dazu zeigte die Abwehr nun auch Lücken – und wackelte von Minute zu Minute mehr. So rannte Adriana Leon alleine auf Ann-Katrin Berger zu, als sich Innenverteidigerin Kathrin Hendrich verschätzte. Die Torhüterin Berger rettete mit einer starken Fußabwehr und hatte Glück, dass noch jede Menge Bälle an ihrem Gehäuse vorbeiflogen. In der 113. Minute hätte die eingewechselte Sydney Lohmann alles entscheiden können: Der Kopfball der Münchnerin berührte aber die Oberkante der Latte. „Wir hatten die Chance, vorher den Sack zuzumachen und dann gehen über 120 Minuten und ins Elfmeterschießen – das macht mich fertig“, bilanzierte Popp.