Reaktion auf Karlsruher Urteil: Nach Urteil keine Änderungen am Wahlrecht – Kritik von Union

Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass Teile der Wahlrechtsreform verfassungswidrig sind. Die Ampel-Fraktionen und die Union beraten daraufhin. Merz macht der Ampel anschließend Vorwürfe.

Im Bundestag ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis zur nächsten Wahl im kommenden Jahr keine Anpassung des Wahlrechts geplant. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs der Fraktionschefs von SPD, Grünen, FDP sowie der oppositionellen Union. Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisierte die Koalition.

Alte Grundmandatsklausel vorerst wieder in Kraft 

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Aufhebung der sogenannten Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt und diese Regelung vorerst wieder in Kraft gesetzt. Damit gilt erst einmal weiter, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen.

Ein weiteres Kernstück der Wahlrechtsreform, die Begrenzung des Bundestages auf 630 Abgeordnete und den Wegfall der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate, haben die Karlsruher Richter dagegen bestätigt. Damit ist für die Zahl der Sitze im Parlament künftig allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend – auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. In dem Fall gehen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen leer aus. Unter anderem die Union, Linke und die bayerische Staatsregierung hatten gegen die Reform geklagt.

Unterschiedliche Auffassungen

Aus Koalitionskreisen hieß es nach dem Gespräch der Fraktionschefs, es habe grundsätzlich unterschiedliche Bewertungen zwischen Ampel und Union gegeben, die in der noch zur Verfügung stehenden Zeit vor der Bundestagswahl nicht auszuräumen seien. Die nächste Bundestagswahl soll im September 2025 stattfinden. 

Grünen sehen Klarheit

Die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Für die laufende Wahlperiode sehen wir keine Notwendigkeit, mit Blick auf die Grundmandatsklausel jetzt aktiv werden zu müssen. Durch die Anordnung des Gerichts herrscht Klarheit für die Bundestagswahl im September 2025.“ 

Darüber hinaus gebe es sehr unterschiedliche Auffassungen zu einer Änderung des Wahlrechts nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch SPD, FDP und Grünen sowie Union, so Haßelmann. „Für uns Grüne sind die Grundfesten unseres neuen Wahlrechts insgesamt durch das Urteil des Gerichts in vollem Umfang bestätigt.“ Die sogenannte Zweitstimmendeckung sei verfassungsgemäß. Der Kern der Reform habe Bestand. „Wir schaffen die Überhang- und Ausgleichsmandate ab. Wir verkleinern den nächsten Bundestag deutlich auf 630 Abgeordnete. Er wird nach der Stärke der vertretenen Parteien besetzt.“

Merz kritisiert Ampel

Merz wirft den Ampel-Fraktionen mangelnden Kompromisswillen vor. Er schrieb nach einem Gespräch mit den Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen an die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, an dem auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt teilnahm: „Wir haben eine alleine auf die Sperrklausel und die Grundmandatsklausel beschränkte Verhandlung über das Wahlrecht noch in der laufenden Wahlperiode abgelehnt.“ Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. 

„Wir wollen zum geeigneten Zeitpunkt über die Stärkung der Wahlkreismandate sprechen und uns nicht für deren weitere Schwächung vereinnahmen lassen.“ Weitere Gespräche über das Wahlrecht in der laufenden Wahlperiode mit der Koalition seien nicht zu erwarten. 

Kritik an Zweitstimmendeckung 

Merz schrieb weiter, leider habe das von der Ampel erfundene Verfahren der sogenannten Zweitstimmendeckung in den Augen des Bundesverfassungsgerichts weiter Bestand. „Damit werden wir bei der nächsten Bundestagswahl nach einem Wahlrecht wählen, das nicht mehr sicherstellt, dass ein direkt gewählter Abgeordneter auch in den Deutschen Bundestag einzieht.“ Das Wahlrecht komme wieder auf die Tagesordnung, sobald die Union wieder an der Regierungsbildung beteiligt sein werde.