In den 90er Jahren sorgten sie mit komplexem Alternative-Rock für Furore. Später erfanden sich die Smashing Pumpkins mehrfach neu. In welche Richtung geht das neue Album, das nun erscheint?
Die Nachricht hat vor etwa zwei Wochen für eine kleine Überraschung gesorgt: The Smashing Pumpkins veröffentlichen am 2. August ein neues Studioalbum. Keine Single, kein Vorab-Stream für Medienvertreter und das Album wird zunächst nur digital erscheinen – so die kargen Infos im Zuge der kurzfristigen Ankündigung. Bestes Futter für Spekulationen jeglicher Couleur. Und vor allem ein Gedanke drängte sich auf: Ist das Album gar so schlecht, dass es Journalisten vorab nicht hören sollen, um es nicht schon vor der Veröffentlichung verreißen zu können?
Ein paar Infos zum 13. Studioalbum „Aghori Mhori Mei“ gab es kürzlich dann aber doch. Frontmann Billy Corgan (57) kündigte in einem Video auf der Bandwebsite ein, das Album solle an frühes Material der Alternative-Größen anknüpfen – rockiger als sein Vorgänger „Atum“. Corgan selbst brachte in diesem Zusammenhang schon „Siamese Dream“ ins Spiel – das Album, mit dem der Band aus Chicago vor gut 30 Jahren der kommerzielle Durchbruch gelang. Songs wie „Today“, „Cherub Rock“ oder „Disarm“ katapultierten sie 1993 in den Mainstream.
So wurden sie mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Alternative Rock, Grunge und träumerischem, düsterem Pop zu einer der bedeutendsten Bands der 90er Jahre. Ihre Musik zeichnete sich durch dichte Gitarren, komplexe Arrangements und eindringliche Melodien aus. Und natürlich durch den markanten, nasalen Gesang von Corgan.
Es ist übrigens das erste Studioalbum seit dem Ausstieg des langjährigen Gitarristen Jeff Schroeder, der die Smashing Pumpkins im vergangenen Herbst nach 16 Jahren verließ. Seine Nachfolgerin, vorerst nur auf Tournee, wurde Kiki Wong. Die 35-Jährige, die sich mit Gitarrenvideos auf Tiktok eine große Fangemeinde erspielt hat, soll sich unter 10.000 Bewerbern und Bewerberinnen auf den Posten durchgesetzt haben. Auf „Aghori Mhori Mei“ ist sie jedoch nicht zu hören.
Brücke zum Debütalbum „Gish“
Kern der Smashing Pumpkins sind neben Sänger und Gitarrist Corgan heute zwei weitere Gründungsmitglieder, Gitarrist James Iha und Schlagzeuger Jimmy Chamberlin. Beide hatten die Band zwischenzeitlich zu verschiedenen Zeitpunkten verlassen und kehrten später zurück. Zusammen mit der Bassistin D’arcy Wretzky spielte diese Besetzung das 1991 veröffentlichte Debütalbum „Gish“ ein, dem maßgeblicher Einfluss auf die Grunge-Bewegung zugeschrieben wird.
Womit wir wieder beim Thema wären, denn das neue Album „Aghori Mhori Mei“ darf durchaus als gelungener Schritt zurück gelten. Der Sound ist glasklar, die meisten Songs kommen ohne pompöses Beiwerk aus und Kracher wie „Sicarus“ hätten sicher auch auf dem Debütalbum „Gish“ von 1991 geglänzt. Corgans Stimme klingt gut, der Aufbau des Albums ist schlüssig und doch stellt sich beim Hören schnell ein Gefühl der Sättigung ein.
Denn was Billy Corgan auf seiner Reise in die frühen Neunziger übersehen hat, ist der Lauf der Zeit. Ein Lebensgefühl, das vor über 30 Jahren drängend und akut war, und welches die Smashing Pumpkins auf ihrem ersten Album so kongenial eingefangen haben, lässt sich eben nicht mal so reproduzieren: Corgan geht stramm auf die 60 zu, ganze Generationen von Rockmusikern haben seitdem den Sound – und damit auch die Hörgewohnheiten des Publikums – verändert.
Meisterhafte Pastiche des eigenen Frühwerks
Das sind allerdings keine Argumente gegen ein gutes Rockalbum wie „Aghori Mhori Mei“ – und dennoch: Letztlich bleibt leider das Gefühl von zugegebenermaßen meisterhafter Pastiche des eigenen Frühwerks. Es ist eine der Binsenweisheiten der Popgeschichte, dass kulturelle Relevanz für eine Band meistens eben nur für eine Zeit von ein paar Jahren zu haben ist. Und der Drang der Jugend verfliegt nun einmal – ob man das akzeptiert oder nicht.
Mit „Aghori Mhori Mei“ hat sich Billy Corgan gegen diese Einsicht aufgelehnt und vermutlich das Beste herausgeholt, was möglich war. Etwas Neues aber, das auch in der Musikwelt im Jahr 2024 Relevanz hätte, hat er dabei nicht gefunden. Was bleibt, ist eine brillante Stilübung, der jedoch das Momentum fehlt. Und das bleibt die entscheidende Währung im Pop.
Billy Corgan hat mit seinem aktuellen Werk versucht, an einen Ort zurückzukehren, den es nicht mehr gibt. Nicht in ihm und schon gar nicht im Musikzirkus, der lange weitergezogen ist.
„Wir spielen dieses Spiel namens Rock’n’Roll seit mittlerweile 36 Jahren“, sagte Corgan jetzt anlässlich der Veröffentlichung von „Aghori Mhori Mei“. „Wir fanden, dass man dieses Album am besten als ein komplettes Werk hören sollte: zehn Songs, 45 Minuten. Dann sollen die Fans entscheiden, ob wir das erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben, ob wir uns in die ursprüngliche Lage versetzen konnten, ob wir mit diesem Album wirklich nach Hause zurückkehren konnten.“