Trainer rastet aus: Halt einfach mal die Fresse, Valentin!

Der deutsche Hockey-Bundestrainer Valentin Altenburg hat bei den Olympischen Spielen vor laufender Kamera eine Spielerin beleidigt. War das frauenfeindlich?

Na, haben Sie kurz gezuckt, als Sie die Überschrift dieses Kommentars gelesen haben? Prima, denn dann haben Sie schon den Kern des Problems verstanden! Ist diese Überschrift unangemessen? Absolut!

In den sozialen Netzwerken ist ein Video viral gegangen, das einen heftigen Ausraster des deutschen Hockey-Bundestrainers Valentin Altenburg bei den Olympischen Spielen zeigt. Dieser hatte am Mittwoch vor laufenden Kameras in einer Spielunterbrechung beim Spiel gegen Frankreich eine seiner Spielerinnen angepflaumt: „Halt jetzt die Fresse und komm her, das nervt mich, deine Körpersprache.“ Gemeint war die 29-jährige Nationalspielerin Anne Schröder, die sich von der Team-Besprechung weggedreht hatte.

Ein Akt von Frauenfeindlichkeit?

Prompt wurde im Netz diskutiert, ob das frauenfeindlich sei. Ja, findet die X-Nutzerin Catherine Lysistrata und argumentiert: „Kennen wir eine Trainerin, die einen Mann so angepfiffen hat?“ Andere halten dagegen. „Schon dutzende Trainer beider Geschlechter gesehen, die noch viel heftiger ausrasten“, schreibt etwa ein User mit dem X-Pseudonym Simon. Und weiter: „Schön ist das von außen betrachtet wohl nie, aber auch alles anders als ungewöhnlich und schon gar keine Geschlechterfrage.“

Sport ist kein Wattebausch-Werfen

Natürlich ist Sport im Allgemeinen und Leistungssport im Besonderen kein Werfen mit Wattebäuschen. Insbesondere, wenn es wie bei den Olympischen Spielen um die wichtigsten Titel der Welt geht, muss ein Team extrem diszipliniert sein und den Anweisungen des Trainers folgen. Das nicht zu tun, ist nicht nur eine Repektlosigkeit, sondern gefährdet auch die Leistung der gesamten Mannschaft. Ob Männlein oder Weiblein.

Allerdings macht der Ton die Musik. Einer erwachsenen Person zu sagen, sie solle „einfach mal die Fresse halten“, ist vulgär, abwertend und daher völlig daneben. In diesem Fall kommt durch den Geschlechterunterschied – hier der männliche Trainer, dort die Damenmannschaft – auch noch eine unangenehm sexistische Note ins Spiel, auch wenn diese sicher nicht beabsichtigt war.

Was du nicht willst, dass man dir tu

Es gibt tausend andere Formulierungen, jemanden scharf zurecht zuweisen, die diese Risiken nicht bergen. „Reiß dich verdammt nochmal zusammen“, wäre eine ebenso deutliche, aber ungleich weniger abwertende Ansage gewesen.

Hockey-Frauen besiegen Frankreich  Disput in Spielpause 15:52

Dass Altenburg seine Bemerkung im Bewusstsein gemacht hat, dass er gefilmt wird, zeigt, dass er sein Verhalten völlig in Ordnung findet. Vielleicht sollte er sich einmal fragen, wie er es fände, wenn ein anderer Mann so mit seiner Tochter, Frau oder Mutter sprechen würde. Oder was er empfinden würde, wenn ihm jemand sagen würde: „Halt einfach mal die Fresse, Valentin!“

Sein Verhalten hat mich an einen Taekwondotrainer in meiner Jugend erinnert. Fachlich ein hervorragener Mann, aber ein Schleifer vor dem Herrn. Regelmäßig machte er die Sportler und Sportlerinnen herunter, für aus seiner Sicht mangelhafte Leistungen, aber auch, weil eine Teilnehmerin mal beim Training gähnte (sie arbeitete als Krankenschwester im Schichtdienst). 

Die Feldwebelmethode hat ausgedient

Bei keinem Trainer war meine Leistungsbereitschaft höher. Die Angst, vor allen anderen gedemütigt zu werden, war ein großer Antreiber. Viele andere aber haben wegen seiner Art den Verein verlassen und nie wieder Taekwondo gemacht. 

Zudem gibt es zuhauf Beispiele von Trainern, die ihre Sportler und Sportlerinnen zu Höchstleistungen brachten, ohne sie dabei herabzuwürdigen. Die Feldwebelmethode mag in früheren Zeiten üblich gewesen zu sein, heute ist sie nicht mehr angemessen.

Altenburg ist ein Wiederholungs-Pöbler

„Moment“, werden Sie jetzt vielleicht einwenden: „Das ist doch wieder so eine typisch deutsche Mimosen-Debatte. Da lachen andere Länder nur drüber.“

Werfen wir dazu kurz einen Blick nach Indien, ins Jahr 2015. Am 12. Februar sperrte das Disziplinarkommittee der Hero Hockey India League, der professionellen Feldhockeyliga, den Cheftrainer von „Dabang Mumbai“ für ein Spiel. Man fand, er habe sich bei einer Schiedsrichterentscheidung am Vortag unmöglich und respektlos aufgeführt.

Sein Name: Valentin Altenburg.

stern-Kollegin Laura Rodrigues widerspricht. Sie findet: „Halt die Fresse!“ Bei Olympia herrscht ein anderer Tonfall