Messerangriff in England: Angst vor weiteren Krawallen in Großbritannien

Mehr als 100 Festnahmen in London, Gewalt in Hartlepool, Proteste in Manchester: An mehreren Orten in Großbritannien eskaliert die Lage. Angeheizt wird die Situation von Falschnachrichten.

Nach der zweiten Krawallnacht in Folge wegen der Bluttat von Southport wächst in Großbritannien die Angst vor weiteren gewalttätigen Protesten von Rechtsradikalen. Premierminister Keir Starmer will sich mit wichtigen Polizeiführern beraten. Dabei werde der Labour-Politiker den Mut der Einsatzkräfte loben und ihnen Rückendeckung geben, damit sie gegen „sinnlose Gewalt“ durchgreifen könnten, zitierte die Nachrichtenagentur PA aus Regierungskreisen.

Ein 17-Jähriger soll am Montag drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und acht weitere Kinder sowie zwei Erwachsene teils schwer verletzt haben. Zwei Kinder wurden mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. 

Der Jugendliche wurde unter hohen Sicherheitsvorkehrungen zum Gericht in Liverpool gebracht. Der Crown Court verhängte Untersuchungshaft in einer Jugendeinrichtung.

Für den 25. Oktober ist die nächste Anhörung geplant. Dann geht es auch darum, ob sich der Teenager schuldig bekennt. In diesem Falle würde es keinen Prozess geben, sondern das Gericht könnte direkt die Strafe festlegen. Bei Mord sieht das britische Gesetz zwingend lebenslange Haft vor, das Gericht entscheidet über die Höhe der Mindesthaftdauer.

Anonymität des Verdächtigen aufgehoben

Nach Polizeiangaben wurde der Tatverdächtige, der wegen dreifachen Mordes und zehnfachen Mordversuchs angeklagt ist, in Großbritannien geboren. Laut BBC stammen die Eltern des Jugendlichen aus Ruanda. Obwohl er noch einige Tage minderjährig ist – sein 18. Geburtstag ist am kommenden Mittwoch -, entschied der Richter, die Anonymität des Teenagers aufzuheben. Die Namensnennung von Verdächtigen ist in Großbritannien Alltag.

In sozialen Medien breitete sich trotz der Polizeimitteilung die Falschnachricht aus, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen irregulär eingereisten muslimischen Migranten handelt. Das hat nach Einschätzung der Behörden die Krawalle ausgelöst.

Mehr als 100 Festnahmen in London

In London kam es am Mittwochabend unweit des Regierungssitzes in der Downing Street zu Handgemengen zwischen Ultranationalisten und der Polizei. Die Randalierer warfen auch mit Feuerwerkskörpern auf den eisernen Zaun, der die Straße absperrt. Die Polizei nahm 111 Menschen fest. Teilnehmer riefen: „Rule Britannia“ und „Wir wollen unser Land zurück“.

Bürgermeister Sadiq Khan kritisierte die Ausschreitungen als völlig inakzeptabel. „Auf unseren Straßen ist kein Platz für Kriminalität, und ich unterstütze voll und ganz das Vorgehen der Metropolitan Police gegen diejenigen, die auf Gewalt aus sind, Unruhe stiften und in unserer Stadt Spaltung verbreiten“, schrieb der Politiker der sozialdemokratischen Labour-Partei bei X.

In der nordostenglischen Stadt Hartlepool griffen Randalierer Einsatzkräfte an, ein Polizeiwagen ging in Flammen auf. Hier wurden acht Menschen festgenommen und mehrere Beamte verletzt. Der örtliche Parlamentsabgeordnete Jonathan Brash zeigte sich entsetzt. „Fenster von Geschäften wurden eingeschlagen, Autos angezündet“, sagte der Labour-Politiker der Nachrichtenagentur PA. „Dieses Verhalten repräsentiert nicht die Menschen von Hartlepool.“

In Manchester vertrieb die Polizei einige Dutzend Menschen in der Nähe eines Hotels, das als Unterkunft für Asylsuchende genutzt wird. Am Dienstagabend hatte es bereits in Southport gewaltsame Ausschreitungen in der Nähe einer Moschee gegeben. Dort wurden besondere Befugnisse für die Polizei verlängert, Menschen jederzeit kontrollieren zu können.