Was für ein letztes Match. Angelique Kerber war dicht dran, bei ihrem letzten Turnier die Chance auf eine Olympia-Medaille zu haben. Doch nach einem harten Kampf verlässt sie die Tennis-Bühne.
Angelique Kerber tritt nach einem würdigen Abschied ohne Medaille bei den Sommerspielen in Frankreich ab. Das olympische Viertelfinale gegen die Chinesin Qinwen Zheng wird als dramatisches letztes Match der Ausnahmespielerin in die Tennis-Geschichte eingehen. Beim 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (6:8) bewies Kerber noch einmal ihr immenses Kämpferherz. Die Niederlage bedeutete zwar, dass die einstige Nummer eins der Welt die Tennis-Bühne ohne den märchenhaften Medaillencoup verlässt.
Ein würdiger Abschied ist der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerin seit Steffi Graf dennoch geglückt. Im dritten Satz führte die deutsche Hoffnungsträgerin noch mit 4:1 und 6:5, entkräftet konnte sie die Führung aber nicht halten. Auch die Zuschauer versuchten ihr mit „Angie, Angie“-Rufen zu helfen. Mit allem Mut wehrte sie im Tiebreak noch einmal drei Matchbälle in Serie ab. Doch nach 3:04 Stunden blieb das Happy End aus.
Erfolgreichste deutsche Tennisspielerin nach Steffi Graf tritt ab
Eine der populärsten und bekanntesten deutschen Sportlerinnen des vergangenen Jahrzehnts zieht sich nun zurück. Kerber ist Australian-Open- und US-Open-Champion 2016, Wimbledon-Siegerin 2018 und stand an der Spitze der Weltrangliste. Eine solch eindrucksvolle Erfolgsliste wird der Deutsche Tennis Bund im Damen-Bereich voraussichtlich lange nicht erleben.
Inzwischen ist Kerber Mutter einer rund 17 Monate alten Tochter. Ihr Comeback nach der Babypause gestaltete sich über Monate schwierig und war lange von schwachen Ergebnissen geprägt. Erst nach der Ankündigung, dass die Sommerspiele ihr letztes Turnier werden, spielte Kerber befreit auf.
Sie werde in jedem Punkt und in jedem Spiel noch einmal alles aus sich herausholen, hatte Kerber in den vergangenen Tagen gesagt. Und ließ dem eindrucksvoll Taten folgen, auch wenn es am Ende knapp nicht reichte.
Welche Dramatik sich in diesem letzten Kerber-Match entwickeln würde, war anfangs nicht abzusehen. Das Viertelfinale gegen die chinesische Top-Ten-Spielerin begann in einer eigenen Atmosphäre auf dem noch fast leeren Court Philippe-Chatrier. Nach der Niederlage von Dominik Koepfer gegen den serbischen Wimbledon-Finalisten Novak Djokovic (5:7, 3:6) hatten die Zuschauer die Pause genutzt, um das Stadion kurzzeitig zu verlassen.
Kerber nutzte den fehlerhaften Start der Chinesin für ein frühes Break und führte mit 3:1. Doch die Weltranglisten-Siebte steigerte sich, setzte Kerber mit hohem Tempo von der Grundlinie unter Druck. Kerber verlor kurzzeitig den Faden und vier Spiele nacheinander.
Doch wer dachte, der erste Satz würde ihr aus den Händen gleiten, sah sich getäuscht. Mit taktisch klug eingestreuten höheren langsamen Bällen nervte die Linkshänderin die 15 Jahre alte jüngere Gegnerin und brachte sie aus dem Rhythmus. Ein 3:5 drehte sie zum 6:5.
Es entwickelt sich ein irres Match
Hätten Kerber in den vergangenen Monaten enge Situationen noch verunsichert, blieb die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin auch in ihrem vierten Match dieser Olympischen Spiele konzentriert und selbstbewusst. Dass sie ihr Aufschlagspiel noch einmal verlor und in den Tiebreak musste, schüttelte sie ab und bewahrte die Nerven.
Auf der Tribüne fieberten ihre Mutter Beata, ihr Lebensgefährte Franco Bianco, ihr Trainer Torben Beltz und ihr Manager mit. Bei drückender Hitze schien sich bei Kerber die Anstrengung der vergangenen Tage Ende des zweiten Satzes bemerkbar zu machen. Am Tag zuvor hatte die Linkshänderin bei extrem hohen Temperaturen neben ihrem Einzel auch noch ein Doppel bestritten. So musste der dritte Durchgang die Entscheidung bringen.
Im zweiten Satz war zunächst Kerbers Konstanz ein ausschlaggebender Punkt, der für sie sprach. Doch der dritte Durchgang musste die Entscheidung bringen.
Nach dem Satzverlust verließ die 36-Jährige den Platz, um sich umzuziehen und zu sammeln. Währenddessen wurde wegen des einsetzenden Regens gerade noch rechtzeitig das Dach geschlossen. Als sie 3:1 führte und bei eigenem Aufschlag in einem kräftezehrend langen Ballwechsel erfolgreich gegen das drohende Rebreak kämpfte, trieb sie das Publikum an, sie weiter anzufeuern. Trotz des großen Willens ging das Match verloren.