Schneeballsystem: Die große Betrugsmasche von Boygroup-König Lou Pearlman

Lou Pearlman war in den 90er-Jahren mit Boygroups wie NSYNC und Backstreet Boys eine ganz große Nummer im Musikgeschäft. Nebenher prellte er mit einem Schneeballsystem Investoren um Millionen. Eine neue Netflix-Doku zeigt das Leben des schillernden Betrügers.

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Millionen von Mädchen hat der Mann mit dem mächtigen Doppelkinn und der Figur eines Wales schlaflose Nächte bereitet. Wie am Fließband produzierte Lou Pearlman Boybands, ließ Teenieschwärme wie Puppen tanzen. Mit diesem Geschäft wurde der Manager berühmt – in den Knast sollte ihn ein anderes bringen.

Beeindruckt vom musikalischen Erfolg seines Cousins Art Garfunkel spielte der 1954 in New York geborene Pearlman in seiner Jugend selbst in einer Rockband – mit wenig Erfolg. Mehr davon hatte er als Geschäftsmann. Er kaufte Zeppeline, startete einen Hubschrauber-Taxiservice, gründete ein Reisebüro und die Charterfluglinie Trans Continental Airlines. Pearlman war noch keine 30, da war er bereits Millionär. Schon damals allerdings nahm er es mit der Wahrheit nicht genau. Als einer seiner Zeppeline abstürzte, versuchte er, die Versicherung zu betrügen – wie nahezu jeden Musiker, mit dem er später zusammenarbeitete.

Fasziniert vom kometenhaften Aufstieg der New Kids on the Block stieg Pearlman in den 90er-Jahren ins Popbusiness ein. „Big Poppa“ ließ er sich von seinen gecasteten Schützlingen nennen, darunter so legendäre Formationen wie die Backstreet Boys, US5 oder *NSYNC mit Justin Timberlake. Abermillionen Platten verkauften die Bands – und „Big Poppa“ verdiente kräftig mit.

25 Jahre Haft für Pearlman

Doch das reichte ihm nicht. Anstatt in Florida, wo er seit 1991 wohnte, ein ruhiges Leben unter Palmen zu führen, wie sie oft seine weiten Hawaiihemden zierten, baute Pearlman eins der größten Schnellballsysteme der USA auf. Über 300 Mio. Dollar sammelte er in zehn Jahren von Kleinanlegern ein, die glaubten, sie würden in das „Trans Continental Savings Program“ investieren, eine Art Pensionsfonds für die Angestellten von Pearlmans Fluglinie. Die hatte allerdings kaum Angestellte. Das Geld sackte der Chef ein.

Als sich die Behörden die Geschäftspraktiken von „Big Poppa“ 2006 näher anschauten, war er gerade mit seiner Band US5 bei einer Preisverleihung in Deutschland. Pearlman setzte sich ab und tauchte unter. Monate später wurde er auf Bali verhaftet und an die USA ausgeliefert. 2008 machte man ihm den Prozess. 25 Jahre Haft bekam das Schwergewicht aufgebrummt. Der Richter schlug einen Deal vor: Für jede Million, die er seinen Gläubigern zurückzahlte, würde ihm ein Monat Haft erlassen. Pearlman ging nicht darauf ein. Er starb im August 2016 im Gefängnis.

Hauptperson

Lou Pearlman hat die Popwelt um das Phänomen Boybands bereichert. Kein anderer Produzent katapultierte so viele Retortengruppen in die Charts. Auf die Frage, wie lange der Boyband-Hype noch andauern würde, antwortete er einmal: „Vorbei ist es erst, wenn Gott aufhört, kleine Mädchen zu erschaffen.“ Um seinen ausschweifenden Lebensstil und sein monströses Anwesen in Florida zu finanzieren, rief er eins der größten Schneeballsysteme der USA ins Leben – und betrog Anleger um Millionen.

Die Doku über Pearlman „Schmutziges Pop-Geschäft – der Boyband-Betrug“ läuft bei Netflix.