Karlsruhe kippt Teil der Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition 

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil zur Wahlrechtsreform die von der Ampel-Koalition angestrebte Verkleinerung des Bundestags bestätigt – zugleich aber im Sinne von CSU und Linken die Aufhebung der Grundmandatsklausel gekippt. Nach der am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Entscheidung gibt es künftig maximal 630 Bundestagsabgeordnete statt der zuletzt 733. Während Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) dies als „wichtiges Signal“ begrüßte, kündigte die CSU im Fall eines Wahlsiegs nach der kommenden Bundestagswahl eine erneute Wahlrechtsänderung an.

Linke, CSU und CDU sowie zahlreiche Bürger waren gegen die von der Ampel-Koalition im März vergangenen Jahres beschlossene Wahlrechtsreform vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Reform betrafen zwei Elemente des Gesetzes – die sogenannte Zweitstimmendeckung, als deren Folge ein Wahlkreisgewinner nicht mehr zwingend in den Bundestag einzieht, und die Grundmandatsklausel.

Diese Klausel garantiert, dass Parteien trotz Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde mit der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag kommen, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel hob das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil wieder auf, womit sie auch bei der kommenden Bundestagswahl weiter gilt. Profitiert von der Regelung hatte bei der letzten Wahl die Linke, die mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Wegen drei gewonnener Wahlkreise konnte sie dennoch in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen.

Die stellvertretende Verfassungsgerichtspräsidentin Doris König sagte bei der Urteilsverkündung, die Aufhebung der Grundmandatsklausel sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, da eine Ungleichbehandlung vorliege. Das Gericht zielte dabei insbesondere auf die nur in Bayern antretende CSU ab, die mit der in den anderen Bundesländern antretenden CDU eine gemeinsame Fraktion bildet. Die CSU kam bundesweit zuletzt auf 5,2 Prozent und hätte bei einem Ergebnis von weniger als fünf Prozent kein Mandat mehr bekommen, obwohl die CSU bei den vergangenen Wahlen jedes Mal fast alle Direktmandate in Bayern gewinnen konnte. 

Mit Blick auf die enge Kooperation von CDU und CSU wäre die Abschaffung der Grundmandatsklausel zu weitgehend, erklärte König. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte dagegen die Änderungen bei der Zweitstimmendeckung. Durch die Reform werden nun die Bundestagssitze allein anhand der Zweitstimmen vergeben. Dies kann dazu führen, dass einige Direktkandidaten trotz des Siegs in ihrem Wahlkreis in Zukunft nicht mehr im Bundestag vertreten sind, was insbesondere ebenfalls die CSU angegriffen hatte. 

Die Union wertet das Wahlrechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts als Erfolg. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb im Onlinedienst X, „der Versuch der ‚Ampel‘, politische Konkurrenten mit Hilfe des Wahlrechts auszuschalten, ist damit gescheitert.“ CSU-Chef Markus Söder wertete das Urteil seinerseits als „Klatsche“ für die Ampel-Regierung. 

Die Bestätigung der Reform bei der Zweitstimmendeckung bezeichnete Söder als „Wermutstropfen“. Der CSU-Chef kündigte an, dies „wieder ändern“ zu wollen. Das sei „eine Koalitionsbedingung für eine nächste Bundesregierung“.

Die zu den Klägern zählende Linke zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Die von der Ampelkoalition geplante Streichung der Grundmandatsklausel sei eine „undemokratische“ Entscheidung gewesen, „die das Bundesverfassungsgericht zurecht korrigiert hat“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch in der ARD.

Bundestagspräsidentin Bas sieht in dem Urteil ein „wichtiges Signal an die Wählerinnen und Wähler“. „Es wird kein unkontrolliertes Anwachsen des Deutschen Bundestages mehr geben“, erklärte sie. Dies schaffe Planungssicherheit, senke die Kosten und stärke die Arbeitsfähigkeit des Bundestags.

Vertreter der Ampel-Fraktionen zeigten sich trotz der teilweisen Zurückweisung der Wahlrechtsreform zufrieden. Das Karlsruher Gericht habe „das Herzstück der Wahlrechtsreform bestätigt“, erklärte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle.

Ähnliche Äußerungen gab es auch von SPD und Grünen: Die Verkleinerung des Deutschen Bundestags auf 630 Abgeordnete sei „vollbracht und verfassungsgemäß“, erklärte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Till Steffen, sprach von einem „großen Erfolg“, der „gegen den erbitterten Widerstand insbesondere der CSU durchgesetzt“ worden sei.

Die AfD bewertete positiv, dass der Bundestag in Folge des Urteils nicht weiter wachsen soll. Der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner erklärte, „im Ergebnis also ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Weitere Reform- und Verkleinerungsschritte müssen aber folgen.“