Laut Familienministerin Josefine Paul (Grüne) gibt es aktuell so viele Betreuungsplätze wie nie zuvor. Trotzdem fehlt aber Personal. Ein neues Modell für Quereinsteiger soll starten.
Wenn in den nächsten Tagen das neue Kita-Jahr in Nordrhein-Westfalen beginnt, wird sich vielerorts wieder eine allzu knappe Personaldecke bemerkbar machen. „Wir haben so viele Kita- und Betreuungsplätze in NRW wie noch nie und die Platzanzahl wächst auch im kommenden Kita-Jahr weiter“, sagte Familienministerin Josefine Paul der Deutschen Presse-Agentur. Dennoch sei klar, dass gerade im Hinblick auf die Betreuungslücken, die viele Familien belasteten, noch viel zu tun sei.
Die Investitionsmittel für den Kita-Ausbau würden im laufenden Jahr noch einmal erhöht, damit dringend benötigte weitere Plätze entstehen könnten. „Jedes Kind soll in die Kita gehen können“, betonte die Grünen-Politikerin. Frühkindliche Bildung sei auch ein entscheidender Baustein für soziale Gerechtigkeit. „Dabei ist uns sehr bewusst, dass die frühkindliche Bildung insbesondere vor zwei Herausforderungen steht, den finanziellen sowie den personellen.“ Man habe erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Kita-Landschaft finanziell zu stabilisieren.
Zahlen und Fakten
In den letzten fünf Jahren wurden laut Ministerium rund 53.000 neue Betreuungsplätze geschaffen. Im Kindergartenjahr 2024/2025 – es beginnt am 1. August – verfügt NRW über 764.225 Plätze. Davon sind 543.141 Plätze für die über Dreijährigen und 221.084 Plätze für Jungen und Mädchen unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege. In den Kitas arbeiten aktuell rund 140.000 Menschen, in der Kindertagespflege sind es 15.000 Personen.
„Wir sehen einen großen Zuwachs an Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollen“, schilderte eine Ministeriumssprecherin. Im Bereich der frühkindlichen Bildung gebe es so viele Beschäftigte wie nie zuvor, aber der Personalzuwachs könne den gestiegenen Betreuungsbedarf der letzten Jahre nicht auffangen. In NRW gibt es rund 10.700 Kitas. Die letzten beiden Kita-Jahre vor der Einschulung sind beitragsfrei.
Das Modell QiK soll schnell zusätzliches Personal in die Kitas bringen
Die Landesregierung arbeite intensiv an Lösungen, um mehr Beschäftigte für die Kitas zu gewinnen, betonte die Sprecherin. Als vielversprechende Maßnahme gehe das Projekt „Qualifizierter Quereinstieg in die Kinderbetreuung“ (QiK) nun an den Start. Das Ausbildungsmodell biete teilnehmenden Kommunen neue Möglichkeiten im Personaleinsatz. Es ziele darauf ab, die Qualitätsstandards in der frühkindlichen Bildung sicherzustellen und mehr Personen einen beruflichen Einstieg in die Kita zu ermöglichen.
Mit QiK sollen Menschen ohne formale pädagogische Ausbildung nach einer kurzen Anfangsqualifikation von 120 Unterrichtsstunden schnell in den Kitas eingesetzt werden und dort zwei Jahre lang berufsbegleitend Fortbildungen – mit weiteren 360 Unterrichtsstunden – absolvieren. „Danach kann eine Kinderpflege-Ausbildung aufgenommen werden, die jedoch um ein Jahr verkürzt werden kann.“ Also ein Jahr statt zwei Jahren. Das Land übernimmt früheren Angaben zufolge einen Zuschuss von 80 Prozent der Personalkosten.
Laut FDP-Landtagsfraktion sind deutliche Nachbesserungen erforderlich. Über die Kosten sei im Vorfeld keine Klarheit zwischen Land und Kommunen geschaffen worden. Die Stadt Aachen als eine von zunächst vier geplanten Modellregionen sei schon ausgestiegen. Laut Ministerium wird der Start des Programms in den teilnehmenden Kommunen derzeit noch organisiert. „Einige starten dabei zum Kindergartenjahr 2024/25, andere werden zu einem späteren Zeitpunkt in das Programm einsteigen.“ Erfahrungen der ersten Phase werde man in eine Weiterentwicklung einbeziehen. In der Startphase des ambitionierten Projektes seien Verschiebungen und weitere Abstimmungen unumgänglich.
Sorge und Nöte mit Blick auf reduzierte Betreuungszeiten
Problematisch für die Familien sind kurzfristige Reduzierungen der Betreuungszeiten oder tageweise Schließungen infolge von Personal-Unterbesetzungen. Laut Ministerium gab es etwa im März 2.352 Meldungen aus 1.015 Kitas – in gut 1.000 Fällen wurden dabei gekürzte Betreuungszeiten gemeldet und in 48 Fällen kam es zu einer vorübergehenden Schließung einer Einrichtung. Im Juni meldeten 775 Kitas Angebotseinschränkungen wegen Unterbesetzung – auch hier musste überwiegend bei den Betreuungszeiten gekürzt werden.
Der Landeselternbeirat warnte davor, Betreuungszeiten wegen des Fachkräftemangels grundsätzlich zu senken. In NRW ist eine Staffelung von 25, 35 oder 45 Wochenstunden üblich, Eltern können entsprechend buchen. Auch die rechtliche Zusicherung eines Kita-Platzes mit 45 Stunden müsse bleiben, forderte der LEB kürzlich mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eine Reduzierung der Öffnungszeiten von Kitas mit ihrem wichtigen Bildungsauftrag werde zulasten der Kinder gehen – vor allem solchen mit besonderem Förderbedarf, mahnte die Interessenvertretung der Kita-Eltern in NRW.