Als Manager beutete Lou Pearlman seine Backstreet Boys aus. Dabei war er als Hochstapler so geschickt, dass manche bis heute zu ihm halten. Ein bizarres Leben als Netflix-Doku.
„So lange der liebe Gott kleine Mädchen macht, so lange wird es Boybands geben“: Diesen Satz hat Lou Pearlman wohl unzählige Male gesagt. Der Manager von Boygroups wie den Backstreet Boys oder *NSync galt als Größe in der Musikbranche, produzierte Bands wie am Fließband. Mittlerweile ist Pearlman tot, er starb 2016 im Gefängnis. Denn hinter seinen Musik-Erfolgen versteckte er jahrelang ein perfides Schneeball-System, mit dem er Investoren um Millionen betrug – darunter auch Freunde und Familie. Wie die Backstreet Boys und Co. in seine Masche passten, das beleuchtet eine Doku, die seit vergangener Woche auf Netflix läuft.
30 Jahre DJ BoBo 10.25Flüge in Privatjets, Partys in Pearlmans Villa, teure Restaurants und nur die besten Gesangs- und Tanz-Trainer: Die Serie zeigt, wie Pearlman seine gecasteten Sänger mit einem Leben im Luxus köderte. „Er hatte viel Geld und einen Traum. Und wir waren die Versuchskaninchen für diesen Traum“, beschreibt es A.J. Mclean von den Backstreet Boys rückblickend. Dass eigentlich gar kein Geld da war, Pearlmans Firma Trans Continental Airlines etwa kein einziges Flugzeug besaß, wurde allen erst viel später klar.
Netflix-Doku streift das Phänomen Boyband wie die Backstreet Boys nur oberflächlich
Pearlman nutzte seine Boybands für den schönen Schein, ließ sie unwissend immer wieder für Investoren vorsingen, lockte mit ihnen Promis an. Und zahlte sich bei den Verdiensten der Backstreet Boys etwa ein Gehalt aus, als sei er das sechste Mitglied der Band. Letzteres sorgte dafür, dass seine größten Bands, die Backstreet Boys und *NSync, sich früh von ihm weg klagten.
Interessant ist jedoch, dass es vielen der Interview-Partner in der Doku sichtlich schwer fällt, trotz allem schlecht über ihn zu sprechen. Für die Sänger sei er wie ein Vater gewesen, erzählen viele von ihnen. Seine ehemalige Sekretärin hält bis heute an ihm fest. Es war eben vor allem Pearlmans Charme, der es ihm erlaubte, jahrzehntelang mit Betrug durchzukommen. Und zwar im großen Stil: Er fälschte etwa Bankunterlagen, um an einen Millionenkredit ranzukommen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist übrigens ein Stilmittel der Doku: Pearlman liest durch künstliche Intelligenz animiert aus einem von ihm verfassten Buch vor, erscheint so quasi aus dem Grab und kommentiert das Geschehen.
Spannung pur: Die besten Heist-Serien auf Netflix und Co. im Stream19.47
Doch „Schmutziges Pop-Geschäft – der Boyband-Betrug“ ist auch deshalb spannend, weil die Doku am Rande immer wieder Details aus dem Musikbusiness der 90er verrät. Etwa, dass die Backstreet Boys von Pearlman anfangs bewusst zwei Jahre in Deutschland gehalten wurden, um dort groß zu werden – während er in den USA heimlich schon die eigene Konkurrenz namens *NSync an den Start brachte. Die Pepsi zur Cola, wie er es nannte. Oder dass Pearlmans Einfluss so groß war, dass er angeblich am Tag nach dem 11. September eine Sondererlaubnis von George W. Bush erhielt, um mit dem Privatjet aus New York zu fliegen.
Alte Videoaufnahmen zeigen außerdem, wie etwa *NSync erstmals an deutschen Schulen vorsangen – und dort gnadenlos durchfielen. Doch das Phänomen Boybands selbst wird hier nur oberflächlich gestreift. Schade eigentlich.
„Schmutziges Pop-Geschäft – der Boyband-Betrug“ läuft auf Netflix