Fernsehen – TV-Ausblick: Doku über Tina Turner – „Als ob man vom Zug überrollt wird“

Mehr als 50 Jahre lang stand Tina Turner auf der Bühne. Wegbegleiter erklären das Phänomen der schwarzen Rock-Göttin. Es ist auch die Geschichte eines Comebacks, mit dem kaum einer gerechnet hat.

„Auf der Bühne ist sie hochexplosiv. Allein ihre Stimme! Als ob man von einem Zug überrollt wird.“ Aus den Worten des Musikfernsehen-Moderators Steve Blame klingt tiefe Ehrfurcht, wenn er den Erfolg von Tina Turner (1939-2023) beschreibt.

Background-Sängerin Lisa Fischer formuliert es so: „Diese schroffe, weibliche Art. Oft denken die Leute ja, feminin bedeute, weich und süß zu sein. Kann es auch sein. Aber es ist so viel mehr. Es war so erfrischend. Diese Entschlossenheit, dieses Kraftvolle zu hören.“ 

Schatten der Vergangenheit

Für ihr Porträt der Rocklegende hat Regisseurin Schyda Vasseghi viele Menschen aus dem Umfeld der Künstlerin befragt – Musiker, Kritiker und Videojockeys. Die Doku „Tina Turner – My Songs. My Life“ läuft am morgigen Sonntag (28. Juli) um 22.05 Uhr auf Arte und ist auch online in der Mediathek bis Oktober verfügbar.

Der Film setzt rund um das Jahr 1980 mit dem Comeback der Sängerin ein. Sie war in den 60er Jahren an der Seite ihres Mannes Ike Turner bekanntgeworden. Eine Beziehung, die in Ehekrisen, häuslicher Gewalt und Scheidung geendet hatte. Acht Jahre brauchte Tina Turner, um mit ihren Auftritten in New York aus dem langen Schatten ihres Mannes herauszutreten.

„Wo ist Ike?“

Die Stadt wartete nicht unbedingt auf sie. „Es war eine große Herausforderung“, so Autorin Maureen Mahon. „Man sagte: Wer will schon Tina Turner hören? Wo ist Ike? Doch als sie im Ritz Club auftrat, zeigte sie, was für eine phänomenale Künstlerin in ihr steckt. Man konnte sehen, wie magisch sie auf der Bühne war. Und nun begannen alle zu überlegen, man könnte sie doch unter Vertrag nehmen.“ 1984 erscheint „What’s Love Got to Do With It“ – ein Welterfolg mit feministischer Attitüde.

Wie in einem modernen Märchen

„Es ist wie in einem modernen Märchen“, sagt Branchenkenner Blame. „Eine Frau, die eigentlich alles verloren hat, bekommt die eine Chance, landet einen Riesenhit und erlebt dann den neuen Durchbruch.“ Autorin Mahon betont auch den symbolischen Wert: „Endlich hat sie unter ihrem eigenen Namen diesen Nummer-eins-Hit. Ein Riesenerfolg.“

Tina Turner ist eine Ausnahmekünstlerin gewesen, die im Verlauf von fünf Jahrzehnten Karriere einer neuen Generation schwarzer Künstlerinnen den Weg geebnet hat – nicht nur in Sachen Selbstermächtigung, sondern auch in Bezug auf Style, Look und Performance. Kaum ein Weltstar hat eine so tiefgreifende Spur in den Herzen der Menschen und in der Musikgeschichte hinterlassen.

Beyoncé trauert

Das machen auch die Reaktionen aus der Musikbranche zu ihrem Tod im Mai 2023 deutlich: „Meine geliebte Königin. Ich liebe Dich unendlich. Ich bin so dankbar für Deine Inspiration. Du bist Stärke und Unverwüstlichkeit. Du bist der Inbegriff von Kraft und Leidenschaft“, postete Beyoncé. Und Alicia Keys schrieb: „Die Lieder, die Du gesungen hast, haben uns Mut gemacht, aus uns herauszutreten und ganz wir selbst zu sein.“

Die Dokumentation von Schyda Vasseghi spürt dem gewaltigen Einfluss der Ausnahmekünstlerin nach, der bis heute nachwirkt: Kim Holmes vom Alvin Ailey American Dance Theater in New York zum Beispiel lässt gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern Tina Turners Choreographien zeitgemäß wiederauferstehen. 

Arte