Mit XPeng drängt ein weiterer chinesischer Elektroauto-Hersteller auf den deutschen Markt. Das Problem für die etablierten Marken: Der P7 hat überzeugende Argumente.
Das Offensichtliche vorweg: Im deutschen Markt ist der Name XPeng für ein Elektroauto denkbar ungünstig. Der Name steht aber nicht für das Geräusch, das eine explodierende Batterie macht, sondern ist kurz für Xiaopeng, den Namen des Herstellers aus China. Das vergleichsweise junge Unternehmen feiert in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen und ist damit in der Automobilbranche noch immer ein Newcomer. Das muss aber nichts heißen, selbst Volkswagen hat sich für viel Geld einen Platz unter den Anteilseignern gesichert.
In Deutschland sieht man die Autos der Marke noch sehr selten. Aktuell stehen hier das Coupé-SUV G6, das SUV G9 und die Limousine P7 zur Auswahl. Letztere hat das Unternehmen dem stern für diesen Test zur Verfügung gestellt.
Vom P7 gibt es drei Modelle: RWD Long Range mit Heckantrieb und maximaler Reichweite, AWD Performance mit Allrad und deutlich mehr Leistung und die Wing Edition, letztlich ein Performance-Modell mit Flügeltüren und Vollausstattung. Das Test-Fahrzeug ist ein P7 Performance mit 473 PS Leistung, 86,2-Kilowattstunden-Akku (brutto), 400 Volt-Ladetechnik sowie Premium-Sitz und Audiopaket in „Jet Black“, einem tiefschwarzen Metallic-Kleid. Preis: 63.460 Euro.
Ein vorbildliches Elektroauto
Zunächst die Fahrleistungen: Die Allrad-Version des P7 greift auf 473 PS zurück und sprintet in 4,1 Sekunden auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei exakt 214 Kilometern pro Stunde, dann wird abgeriegelt. Das Fahrwerk ist recht straff, hat aber einen gemütlichen Touch, der das Fahren auf unebener Straße erleichtert. Das Fahrzeug liegt sicher und satt auf der Straße und leistet sich keine Schwächen. Selbst bei über 150 km/h ist der Innenraum noch angenehm leise, die Dämmung ist gelungen.
Der Akku wird bei entspannter Fahrweise mit einem Verbrauch zwischen 16 bis 20 Kilowattstunden auf 100 Kilometer belastet. XPeng gibt die Reichweite mit 505 Kilometern (WLTP) an, in der echten Welt dürften es etwa 450 +/- 20 sein. Das ist sehr ordentlich.
Auch wenn der P7 auf hiesigen Straßen wie ein Fahrzeug aus der Zukunft wirkt, gibt es ihn schon ein paar Jahre in anderen Märkten. Daraus folgt, dass die Ladetechnik nicht ganz auf Stand ist und noch mit 400 Volt arbeitet. Dafür ist die DC-Ladeleistung aber durchaus gut. Im Test lud der P7 an der Schnellladesäule in 27 Minuten von 10 auf 80 Prozent, die maximale Leistung betrug 182 Kilowatt. Durchschnittlich pumpte der Wagen 138,8 Kilowatt in den Akku, fiel jedoch etwa auf der Hälfte des Weges stark ab. Bei 80 Prozent lud der P7 noch mit 81,2 Kilowatt. Keine Spitzenleistung, aber gemessen an den technischen Gegebenheiten durchaus gut.
Möchte man nicht manuell fahren, stehen dem Wagen zahllose Sensoren zur Verfügung. Kameras, Radar und Ultraschall greifen dann ineinander und ermöglichen es der Software namens „XPilot“, den Wagen zu steuern. Auf dem digitalen Tacho sieht man auch, was das Auto wahrnimmt. Gefühlt entgeht dem P7 nichts, denn selbst die Blinker vorausfahrender Fahrzeuge werden korrekt angezeigt.
An der Software hakt es stellenweise
Das Assistenzpaket funktioniert also, machte im Test aber trotzdem nicht den besten Eindruck. Der Pilot lenkt erstaunlich viel und bewegt sich innerhalb seiner Spur dauernd hin und her. Ein Hang zur rechten Spurseite führt dazu, dass man sich auf Autobahnen teils unangenehm den Lastwagen nähert, was immer wieder zu – vermutlich unnötigen – Eingriffen ins Lenkrad führt. Stellenweise wirkt es wie ein kleiner Kampf gegen den Spurhalteassistenten, was bei anderen Herstellern nicht so ist. Schade: Der Tempomat lässt sich nicht ausschließlich für Abstands- und Geschwindigkeitskontrolle nutzen, sondern nur im Gesamtpaket mit der etwas nervigen Lenkhilfe.
Apropos nervig: Selbstverständlich hält sich XPeng an geltende Gesetze und setzt ab einem Stundenkilometer zu viel bereits mit dem Piepkonzert ein, um vor einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu warnen. Selbst wenn man dann innerorts von 51 auf 50 runter bremst, blinkt und piept es noch. Erst ab 49 km/h ist Ruhe. Da hilft es wenig, dass die Schildererkennung zum Teil mangelhaft arbeitet. Auf der A7 von Neumünster nach Hamburg interpretierte das Auto im Test bei perfektem Wetter das 40-km/h-Schild einer Raststätte als neue Geschwindigkeitsbegrenzung für die Autobahn. Folglich setzte bei 150 km/h störendes Gepiepe ein. Kleine Relativierung: Immerhin kann man diese Kontrolle mit nur zwei kleinen Bildschirmgesten für die jeweilige Fahrt abschalten. Trotzdem: Bitte ein Update. Zeitnah.
Gleiches gilt auch für das Infotainment. Während die Hardware dank Qualcomm-Chip rasend schnell ist und bei der Bedienung keine Schwächen zeigt, wirkt die Software stellenweise unfertig und überhastet auf den deutschen Markt geworfen. Die Sprachassistenz, die nicht sehr viel versteht, spricht zum Beispiel nur Englisch. Das Navi arbeitet zwar zügig, erzählt aber manchmal wirres Zeug, etwa „Schulzone vorau“. Außerdem fehlen den Karten zahlreiche Ziele, insbesondere Ladesäulen. Die gute Nachricht: Das alles lässt sich nachträglich über die Software stark verbessern, wenn es denn auch passiert. Eigentlich kann XPeng das aber nicht so stehenlassen.
Ein echter Hingucker
Denn die kleinen Schwächen und Fehler trüben den Eindruck eines ansonsten erstaunlich guten Wagens. Zur Erinnerung: Eingangs hieß es, kein anderes Elektroauto hätte bisher so viel Lob erfahren. Damit ist aber nicht das Testurteil gemeint, sondern die Reaktionen auf den XPeng P7. Egal wo der Wagen auftaucht, es hagelt Lobeshymnen. An jeder Ladesäule, jedem Bäcker und sogar beim Abladen von Krams auf dem Wertstoffhof loben die Menschen die Optik des Wagens und wollen mehr wissen. Für diese Fahrzeugklasse ist das durchaus selten – zuletzt fiel das eher bei Autos von Rolls-Royce oder Porsche verstärkt auf.
Und die Leute haben Recht: Der XPeng P7 ist ein verdammt schönes Auto. Sowohl die Front als auch die Heckpartie sind überaus gelungen, und die durchgehenden Leuchtstreifen verleihen dem Wagen einen beeindruckenden Auftritt. In der Wing Edition, die es nicht nur mit Flügeltüren, sondern auch in einem Giftgrün gibt, dürfte sich das nochmal verstärken.
Zudem ist die Verarbeitung tadellos. Außen wie innen leistet sich der Hersteller keine Schwächen und stellt ein grundsolides Auto auf die Räder, dessen allgemeiner Qualitätseindruck sich nicht vor dem Premiumsegment verstecken muss. Im Innenraum hätte es etwas weniger Klavierlack sein dürfen – insbesondere am Lenkrad – aber abseits dessen fühlt sich der P7 nicht ansatzweise billig an.
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Wer das Premium-Sitz und Audiopaket bucht, bekommt zudem eine kleine Konzerthalle von Dynaudio ins Cockpit, die wirklich toll klingt. Ob man die vielen Lautsprecher, darunter auch welche in den Kopfstützen, wirklich braucht, sei aber dahingestellt. Eine Massagefunktion fehlt indes leider.
Für Reisen ist der XPeng auch recht gut gerüstet. In der Mittelkonsole gibt es viel Platz und Ablagen, der Kofferraum bietet viel Raum. Durch die umklappbare Rückbank lässt dieser sich noch erweitern. Leider fehlt dem P7 aber ein Frunk, also ein Stauraum unter der Motorhaube. Das ist ärgerlich, denn so liegt das AC-Ladekabel immer im Auto rum und lässt sich auch nicht in einem zweiten Boden verstecken. Da die Ladeleistung an Wechselstromsäulen aber ohnehin nur lahme 11 Kilowatt beträgt, kann man das Kabel auch einfach in der Garage lassen und sich auf Schnelllader beschränken.
Fazit: Der XPeng P7 ist eine echte Alternative, aber…
Im Prinzip leistet sich der XPeng P7 kaum Schwächen. Und wenn doch, dann an Stellen, die sich aus der Entfernung mit einer Handvoll Updates lösen lassen. Das Auto wäre zu gängigen Marken wie Tesla, Smart, Kia, VW und Co. also eine echte Alternative. Was die Optik betrifft, spielt der Wagen sogar in einer Liga über der direkten Konkurrenz. Preislich geht es bei 49.600 Euro los, die „volle Hütte“ schlägt mit 69.600 Euro zu Buche.
Daraus ergeben sich zwei Probleme. Erstens: Xiaopeng kommt gerade erst nach Deutschland. Aktuell klaffen im Händlernetz also noch gewaltige, teils Hunderte Kilometer große Lücken. Sie wohnen in Berlin? Schade, Ihr nächster Händler wäre entweder bei Hamburg oder Erfurt. Sie kommen aus dem schönen Schwarzwald? Nächste Händler: München oder Koblenz. Da XPeng auf Partnerbetriebe setzt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Lücken geschlossen werden – aber Stand heute ist das ein Risiko, wenn der Wagen dann doch mal streiken sollte.
Zweitens, und das wird durch das erstgenannte Problem noch verstärkt: Auch wenn man für 50.000 bis 70.000 Euro sehr viel Auto bekommt, ist die Konkurrenz wahnsinnig stark in diesem Segment. Seien es andere chinesische Marken, etwa Nio oder BYD, oder aber auch die deutschen Hersteller. Viele haben engmaschigere Werkstattnetze und einige unterbieten XPeng auch noch. Da wäre zum Beispiel der Smart #3 Brabus (hier im Test) oder aber auch das Tesla Model 3 Long Range.
Mit dem P7 stellt sich XPeng also einem sehr harten Wettbewerb– den die Marke ohne extreme Rabatte eigentlich nicht gewinnen kann. Am Auto liegt es aber nicht, denn das fährt sich nicht nur toll, sondern ist auch ein echter Hingucker.