„Kleine Stadt von Welt“ wird Herrnhut gern genannt. In den mehr als 300 Jahren seiner Existenz hat der Ort große Strahlkraft entwickelt. Nun ist er mit einem begehrten Titel belohnt worden.
Die Unesco hat die sächsische Kleinstadt Herrnhut als Teil der Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine als neues Welterbe ausgezeichnet. Das zuständige Komitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (Unesco) gab die Entscheidung am Freitag auf seiner 46. Sitzung im indischen Neu-Delhi bekannt.
„Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine stehen für den kulturellen und geistigen Austausch über Ländergrenzen und Kontinente hinweg“, sagte die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer. „Sie sind in Vielfalt vereint und damit ein Sinnbild für die Welterbeidee.“
Einstimmige Entscheidung
Der Beschluss wurde nach Angaben von Sachsens Staatskanzleichef Conrad Clemens einstimmig gefasst. „Heute ist ein besonderer Tag für Herrnhut und die Oberlausitz, auf den viele Menschen hingearbeitet haben“, sagte der CDU-Politiker, der die Sitzung des Unesco-Welterbekomitees vor Ort verfolgte.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) beglückwünschte Herrnhut für die Auszeichnung. Er freue sich sehr, sagte er in einer Videobotschaft auf der Plattform X. „Die Menschen, die hinter diesem Erfolg stehen, haben viel erreicht. Der gesamte Freistaat profitiert davon.“
Die Unesco-Entscheidung sei „eine hervorragende Nachricht für Sachsen„, sagte Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne). „In Zeiten, in denen viele negative Nachrichten aus Sachsen kommen, richtet die Entscheidung den Blick auf die vielen Engagierten und Aktiven vor Ort, die an der Zukunft des Freistaats bauen.“
Kultur- und Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU) betonte, als drittes grenzüberschreitendes Welterbe nach dem Muskauer Park und der Montanregion Erzgebirge „eröffnet die Herrnhuter Brüdergemeine neue Möglichkeiten für die weltweite Werbung um Besucher für die Oberlausitz und ganz Sachsen“.
Brüdergemeine 1722 in Herrnhut gegründet
Herrnhut ist der Ursprung für die Evangelische Brüdergemeine. Glaubensflüchtlinge aus Mähren hatten den Ort 1722 gegründet. Das fehlende „d“ im Namen der Gemeinde „Brüdergemeine“ ist der Sprache dieser Zeit geschuldet, als man noch von Gemeine sprach.
Als sich die Brüder-Unität weltweit ausbreitete, trugen Missionare aus der Oberlausitz auch den Bauplan für neue Siedlungen in andere Länder. Mit Christiansfeld in Dänemark wurde eine davon bereits 2015 als Welterbe der Unesco anerkannt.
Herrnhut kam nun über einen transnationalen Erweiterungsantrag selbst auf die Liste. Die Stadt in Ostsachsen strebte die Anerkennung zusammen mit Bethlehem in Pennsylvania in den USA und Gracehill in Nordirland an.
Fokus in Brüdergemeine auf gemeinsamem Leben
Die Siedlungen der Brüdergemeine zeichneten eine schlichte, klare Architektur aus mit Fokus auf gemeinsamem Leben, Arbeiten und Glauben, sagte Staatskanzleichef Clemens, der selbst der Herrnhuter Brüdergemeine angehört.
„Es ist eine Idee des Zusammenlebens, die auf Weltoffenheit, Gleichberechtigung und fast familiärem Zusammenhalt fußt“, sagte er im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Der Titel sei „gerade in einer Zeit, wo wir viel Spaltung und Polarisierung erleben, ein schönes Zeichen für Sachsen“.
Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) hatte den protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren einst Land für die Ansiedlung in der Oberlausitz zur Verfügung gestellt. Exakt am 17. Juni 1722 fällte der Zimmermann Christian David den ersten Baum, um den neuen Ort unter des „Herrn Hut“ zu bauen.
In der Bundesrepublik gibt es mehr als 50 Welterbe-Stätten. Und voraussichtlich am Samstag wird noch eine Entscheidung über einen rein deutschen Antrag erwartet: Schwerin und sein Schloss auf einer Insel im See sowie weitere Teile der Innenstadt könnten dann ebenfalls auf der Liste des Weltkulturerbes landen. Seit zehn Jahren steht die Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns auf der Vorschlagsliste Deutschlands.