Krankenhäuser: Weite Wege, langes Warten: Träger warnen vor Kliniksterben

Vor fast genau einem Jahr schnürte das Land ein Rettungspaket für die finanziell angeschlagenen Kliniken im Land. Die Hilferufe und Warnungen an Bund und Land blieben laut – und ertönen erneut.

Soll keiner sagen, es habe keine Warnungen gegeben und er habe es nicht gewusst: Nach Protesttagen und offenen Briefen, lauten Hilferufen und vielen Gesprächen wird der Ton der Krankenhausträger angesichts der finanziell schwer angeschlagenen baden-württembergischen Kliniken immer dramatischer. Den Krankenhäusern gehe zunehmend die Luft aus. Um sie vor einem finanziellen Kollaps zu retten und ein Aus für viele Häuser zu verhindern, müssten Bund und Land ihnen finanziell und massiv unter die Arme greifen, fordern die Krankenhausgesellschaft und die Kommunalverbände.

„Die aktuelle wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser ist so schwierig wie noch nie“, warnte der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Landrat Heiner Scheffold. „Die Schere zwischen den steigenden Kosten und den bundesgesetzlich vorgegebenen Erlösen geht gnadenlos auf.“ Die Defizite hätten sich innerhalb kurzer Zeit weit mehr als verdoppelt. Das sei weder von Städten noch von Kommunen zu tragen.

Unter dem Dach der Gesellschaft sind 478 Träger mit 197 Krankenhäusern, 133 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie 807 Pflegeeinrichtungen zusammengeschlossen.

Erste Kliniken hätten bereits aufgegeben, sagte Joachim Walter, Präsident des Landkreistags. „Und wir werden bis zum Jahresende weitere massive Einschläge an der einen oder anderen Stelle sehen.“ Auf die Patienten kämen weitere Wege und längere Wartezeiten zu. Die Kommunen seien zudem gezwungen, Investitionen in anderen Bereichen wie im Nahverkehr oder beim Ausbau von Fahrradwegen zu kürzen.

Nothilfeprogramm gefordert

Die Landkreise schlagen Alarm, weil sie in vielen Gegenden die örtlichen Krankenhäuser tragen – und damit am Ende auch die Defizite. Springe der Bund nicht ein – was absehbar sei – müsse das Land noch in diesem Jahr ein 300 Millionen Euro schweres Nothilfeprogramm aufstellen, damit die Patientenversorgung gesichert werden könne. Grundsätzlich seien die Landkreise nicht dafür verantwortlich, die Defizite aufzufangen, betonte Walter. „Und das wird nun schlicht und einfach auch nicht mehr gehen.“

Allein zwischen 2018 und 2022 haben baden-württembergische Landkreise ihren Kliniken mit insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen, wie Walter zusammenrechnete. Für das laufende Jahr befürchteten sie weitere Unterstützungsbeiträge in Höhe von 790 Millionen Euro. „Den Landkreisen geht damit finanziell schlicht die Luft aus. Und dies trotz der niedrigsten Bettendichte bundesweit“, sagte Walter.

Bund soll Krankenhausvergütung erhöhen 

Unter anderem muss der Bund aus Sicht der Städte und Kreise die sogenannte Krankenhausvergütung – also die Kosten, die für die Behandlung und Betreuung der Patienten anfallen – um mindestens vier Prozent erhöhen. So solle die Lücke zwischen den gestiegenen Kosten und Erlösen geschlossen werden, die in den Inflationsjahren 2022 und 2023 entstanden sei, erklärten BWKG und Verbände.

Künftige Kostensteigerungen müssten vollständig finanziert werden. Klinikschließungen und der Personalabbau dürften nicht über immer größeren finanziellen Druck erzwungen werden.

Auch das Land ist gefragt

Vom Land fordern der Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) und der Präsident des Städtetags, Frank Mentrup (SPD) sowie die BWKG, mehr Geld für geleistete Investitionen zu überweisen. „Um dem Bedarf gerecht zu werden, muss die jährliche Investitionsfinanzierung ab 2025 um mindestens 300 Millionen Euro erhöht werden“, heißt es in einem entsprechenden Papier. Teil dieser Summe sei eine notwendige Erhöhung der sogenannten Pauschalförderung um mindestens 100 Millionen Euro auf 260 Millionen Euro pro Jahr.

Die Krankenhausgesellschaft hatte zuletzt im vergangenen April vor einem unkontrollierten Kliniksterben gewarnt und finanzielle Unterstützung gefordert. „85 Prozent der Krankenhäuser im Land befürchten für 2024 hohe Defizite“, hatte der BWKG-Vorsitzende Scheffold gesagt. Weil auch die Ergebnisse des vergangenen Jahres schlechter als befürchtet ausgefallen seien, fehlten den Kliniken in den Jahren 2023 und 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro.

Krankenhausreform noch nicht durch

Mit einer bei den Ländern umstrittenen Krankenhausreform will der Bund den finanziellen Druck für die Kliniken mindern und einheitliche Qualitätsregeln verankern. Dafür soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. 

Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen zudem genauer definierte „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und Mindestvoraussetzungen festlegen.

Die Länder – darunter auch Baden-Württemberg – fordern einhellig Änderungen an den Plänen. Der Entwurf kommt nun in die Beratungen im Bundestag. In Kraft treten soll das Gesetz Anfang 2025, die Umsetzung soll dann in den Jahren danach folgen.