Ich habe gegoogelt, wie man sich auf Reisen vor Bettwanzen schützt. Hätte ich besser nicht tun sollen.
Ich fürchte mich vor vielem: vor dem Tod, vor Schicksalsschlägen, Verarmung, Kontrollverlust. Aber natürlich auch vor Trumps Wiederwahl, einem neuen Album von Andrea Berg und der Temu-App. Überhaupt vor der Macht Chinas. Und Russlands. Und der AfD.
Aber nichts verkörpert meine Ängste so perfekt auf kleinstem Raum wie die Bettwanze (Cimex lectularius). Die Bettwanze ist für mich das personifizierte, ähh, tierifizierte Böse. Sie ist klein (etwa 3,8 bis 5,5 Millimeter), sie ist gemein (blutsaugend!), sie versteckt sich in Ritzen und Spalten und… eigentlich überall. Man erkennt sie (ähnlich wie Menschen) an ihren Kackspuren und anderen Hinterlassenschaften. Saugt sie nachts unser Blut, wird unser Leben zu Juckreiz und Qual, jedenfalls habe ich das so mal irgendwo gelesen.
Muss man die Wohnung auf 500 Grad erhitzen, um Bettwanzen zu töten?
Ich meine auch von Befallenen gehört zu haben, die ihr Haus niedergebrannt haben, um die Wanzen wieder loszuwerden. Vielleicht haben sie auch einfach den kompletten Hausrat weggeschmissen, sich neu eingerichtet und eingekleidet, nachdem 25 Kammerjäger 40 Tonnen Gift gespritzt und die ganze Behausung auf, ähhh, 500 (?) Grad erhitzt hatten. So ungefähr. Altbauwohnungen sollen besonders kritisch sein, sagt man, wegen der ganzen Ritzen und Spalten in alten Holzböden. Das alles ist natürlich maximal ungesundes Halbwissen, vielleicht nicht mal Viertel- oder Achtelwissen. Aber so ist es mit Ängsten: Sie erzeugen im Kopf die seltsamen Geschichten.
Doch nun ist Urlaubszeit. Ich muss reisen. Und meine Tochter geht auf Interrail-Tour. Sie wird in Zügen hocken, deren mäßig gepolsterten Sitze nicht ohne Grund absurde Muster haben. So sieht niemand, welche Flecken dort bereits vorhanden sind und welche Tiere (oder Menschen) dort ihre Spuren hinterlassen haben. Vermutlich wird meine Tochter ihren Rucksack unterwegs auch mal abstellen. Sie wird in zwielichtigen Herbergen nächtigen, auf verdächtigen Matratzen liegen, ihre Kleidung auf zweifelhaften Teppichböden ausbreiten oder sich gar auf furchterregenden Sofas ausruhen. Das Bettwanzennachhausemitbringrisiko steigt also enorm. Für sie. Für mich. Für uns.
Nun verstehe ich, dass ein kompletter Sommerurlaub in einem vollständig gekachelten und desinfizierten Badezimmer ein recht geringes Erholungspotenzial hat. Ist also keine Alternative.
Der Kampf gegen das Tier ist eine Wissenschaft für sich
Was tun? Ich habe gegoogelt, was oft eine gute Idee ist. In diesem Fall aber nicht. Fasziniert war ich von der Infoseite der Firma Softsan, die Waren für Allergiker herstellt. Ich mache hier keine Werbung, es gibt auch viele andere tolle Allergiker-Firmen. Aber das, was Softsan-Redakteur Alexander Marinescu an Tipps zusammengestellt hat, ersetzt mühelos ein Studium der Angewandten Bettwanzenwissenschaft (kein numerus clausus), macht allerdings wenig Vorfreude auf den nächsten Urlaub. Ich fasse ziemlich subjektiv zusammen:
Auf Reisen sind Gummihandschuhe, Lupe und eine starke Taschenlampe mitzuführen.In der Unterkunft wird zunächst die Matratze angehoben und nach verdächtigen roten Flecken oder kleinen schwarzen Pünktchen gesucht.Sodann wird der Bettrahmen untersucht.Danach die Bettdecken, die Laken und Bezüge.Um die Beine des Bettes können sicherheitshalber Klebefallen (doppelseitiges Klebeband!) angebracht werden.Dann wird das ganze Zimmer durchsucht, wobei mutig in jede Ritze und Spalte zu leuchten ist. Natürlich auch das Badezimmer. Und der Schrank. Und die Kommode. Und der Nachttisch. Und die Minibar. Und die Vorhänge. Eigentlich alles.Findet man verdächtige Spuren heißt es: Ruhe bewahren! Durchatmen! Vielleicht ist das winzige schwarze Etwas ja nur ein Fussel? Oder ein Staubkorn des Universums?Immer gut: alles fotografieren. Zur Beweissicherung.Dann nichts mehr anfassen. Fund isolieren. Keine befallene Kleidung mehr tragen. Luftdichte Plastikbeutel bereithalten. Dann ab zum Personal. Die Frage „Haben Sie Bettwanzen?“ (Englisch: „Do you have Bettwanzen?“) sollte gestellt werden – und vom Hotel- oder Pensionshüter offen und freundlich beantwortet werden. Am besten mit „Kann gar nicht sein.“ Oder loriothaft: „Im Moment nicht.“ Nicht so gut, nicht mal im internationalen Tourismus, ist die Antwort „Yes, of course!“
An dieser Stelle höre ich auf, denn ich verspüre große Müdigkeit. Es gibt einfach zu viele Ratschläge. Ich kann mich wirklich nicht durch alle Tipps kämpfen. Schon der letzte entsprang in allen Ausschmückungen, ich gebe es zu, nur meinem verwirrten Gehirn. Ich werde es so machen wie immer: Koffer und Taschen unterwegs nicht auf den Zimmerboden legen, kurz (!) die Matratze untersuchen und nach der Rückkehr aus dem Urlaub den Reisekram ein paar Tage in der (leeren!) Badewanne lagern. Und dann bleibt nicht mehr, als zu hoffen. Hoffen, weiterhin verschont zu bleiben. Von den Wanzen. Aber auch von den Chinesen. Den Russen. Und Andrea Berg.