Auf den düsteren „Parsifal“ mit verhaltenen Reaktionen folgt in Bayreuth der bunte „Tannhäuser“-Dauerbrenner. Und der ruft noch immer heftige Reaktionen hervor – in alle Richtungen.
Gegensätzlicher könnten Inszenierungen und Publikumsreaktionen kaum sein: Nach der Eröffnung der Bayreuther Festspiele mit einem düsteren „Tristan“ und verhaltenem Applaus wurde es am Tag darauf bunt und laut: Der „Tannhäuser“ in der Dauerbrenner-Inszenierung von Regisseur Tobias Kratzer rief wahre Jubelstürme hervor, Standing Ovations und minutenlangen Applaus – unterbrochen allerdings von einigen wütenden Protesten. Leidenschaftliche Gegner der Produktion buhten gegen die leidenschaftlichen Fans, die deutlich in der Überzahl waren, an.
Auch in ihrem fünften Jahr ruft die stimmige, unterhaltsame und berührende Inszenierung, die auch eine Diskussion über verschiedene Kunstbegriffe und die künstlerische Zukunft der Festspiele in den Mittelpunkt stellt, große Emotionen hervor.
Ganz zu Beginn sind es traurige: Denn in einem Einspieler erinnert Regisseur Kratzer an Stephen Gould, der die Titelrolle sang, bis er 2023 zu krank dafür wurde und von dem auch in diesem Jahr wieder singenden Klaus Florian Vogt ersetzt wurde. Nur wenige Wochen nachdem Gould, der fast 20 Jahre lang auf dem Grünen Hügel gesungen hatte und als „Iron Man der Bayreuther Festspiele“ galt, seine krankheitsbedingte Absage bekanntgegeben hatte, starb der Tenor im September vergangenen Jahres an Krebs.
Überraschendes mitten in der Ouvertüre
In dem Filmeinspieler gießt Tannhäusers Freund Oskar (Manni Laudenbach) sich auf der Ladefläche des Bullis, mit dem die kleine Gruppe um Frontfrau Venus (Irene Roberts) und Dragqueen Le Gateau Chocolat über die Straßen jagt, einen Schnaps ein und prostet einem gerahmten Porträt von Gould zu. Und dann passiert etwas Überraschendes: Mitten in der Ouvertüre, in der schon Zuschauer, die sich leise räuspern, normalerweise gern von ihren Nachbarn gnadenlos niedergezischt werden, bricht spontan lauter Applaus los. Ein Gänsehautmoment.
Vogt, ein vielleicht sogar noch größerer Bayreuther Publikumsliebling als Gould es war, vertritt ihn wacker und wird zum Schluss frenetisch gefeiert. Viel Jubel gibt es auch für Elisabeth Teige als Elisabeth, Roberts als Venus und Markus Eiche als Wolfram von Eschenbach und – ganz hervorragend – Siyabonga Maqungo als Walther von der Vogelweide.
Gefeiert wird auch die Frau am Pult, Dirigentin Nathalie Stutzmann – und zwar nicht nur vom Publikum, sondern auch vom Regieteam. Das macht in einem der Einspieler, die jedes Jahr neu gedreht werden, um aktuelle Diskussionen rund um Bayreuth mit aufzunehmen, aus dem Bayreuther Dirigentengang, in dem die Porträts der musikalischen Leiter hängen, per Filzstift einen Dirigentinnengang.
Mit Stutzmann, Oksana Lyniv („Der fliegende Holländer“) und Simone Young („Der Ring des Nibelungen“) sind in diesem Jahr mehr Frauen in Bayreuth am Pult als Männer. Das gab es in der Festspielgeschichte noch nie. Lyniv war 2021, vor erst drei Jahren, überhaupt die erste Frau, die jemals eine Oper bei den Bayreuther Festspielen dirigierte.