Biden ruft nach Kandidaturverzicht zum Schutz der US-Demokratie auf

US-Präsident Joe Biden hat nach seinem Verzicht auf die Kandidatur in einer eindringlichen Rede an die Nation die kommende Wahl als entscheidend für die Rettung der US-Demokratie bezeichnet. „Die Verteidigung der Demokratie, die auf dem Spiel steht, ist wichtiger als jeder Titel“, sagte Biden am Mittwochabend (Ortszeit). Seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen bezeichnete der 81-Jährige als politischen Generationenwechsel, der seine Partei und das Land vereinen solle.

In der elfminütigen Rede aus dem Oval Office rühmte Biden auch die Führungsstärke seiner Stellvertreterin Kamala Harris, deren Nominierung als neue Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei er unterstützt. „Sie ist erfahren, sie ist zäh, sie ist fähig. Sie ist für mich eine unglaubliche Partnerin gewesen und eine Anführerin für unser Land“, sagte der Präsident über die 59-Jährige.

Es war Bidens erste Rede, seit er am Sonntag nach wochenlanger heftiger Debatte über seine geistige Fitness in schriftlichen Erklärungen seinen Verzicht auf die Kandidatur erklärt und für Harris als seine Nachrückerin plädiert hatte. In der Ansprache bezeichnete er nun seinen Rückzug aus dem Rennen als den besten Weg, um durch einen Generationenwechsel Geschlossenheit in der Partei und im Land zu erreichen und so die demokratische Grundordnung zu schützen.

Den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nannte Biden in der Rede zwar nicht beim Namen – doch war unmissverständlich, dass er mit seiner Warnung vor Gefahren für die US-Demokratie seinen rechtspopulistischen Amtsvorgänger meinte. Biden bezeichnete in seiner von Pathos gefärbten Ansprache die Demokratie als das „heilige Anliegen dieses Landes“ und betonte: „Wir müssen uns vereinen, um sie zu beschützen.“ Das Land sei stärker als „jeder Diktator oder Tyrann“. 

In den Wochen nach seinem fahrigen und wirren Aufritt Ende Juni im Fernsehduell mit Trump hatte sich Biden gegen die Forderungen aus den Reihen seiner Demokratischen Partei nach seinem Kandidaturverzicht noch mit dem Argument gestemmt, er sei am besten dafür geeignet, Trump bei der Wahl im November zu besiegen. Nun aber sagte Biden, er habe beschlossen, „die Fackel an eine neue Generation weiterzureichen“. Denn dies sei der beste Weg, „um unsere Nation zu vereinen“. 

Es gebe eine Zeit und einen Ort „für neue Stimmen, frische Stimmen, ja, jüngere Stimmen“, fuhr der Präsident fort. „Und diese Zeit und dieser Ort ist jetzt.“ Biden, der zuletzt wegen einer Corona-Infektion mehrere Tage in Isolation verbracht hatte, hielt die Rede mit gedämpfter Stimme. Auf die Debatte um seine gesundheitliche Eignung für das Amt ging er nicht ein. 

Biden kündigte jedoch an, dass er in den letzten Monaten seiner im Januar endenden Amtszeit seine Vorhaben weiter umsetzen wolle. „In den nächsten sechs Monaten werde ich mich darauf konzentrieren, meine Arbeit als Präsident zu machen“, sagte der 81-Jährige. Er wies damit die Forderungen der Republikaner zurück, nach seinem Kandidaturverzicht auch das Präsidentenamt vorzeitig abzugeben.

Als seine Vorhaben nannte Biden unter anderem, die Lebenshaltungskosten für Familien zu senken und das Wachstum der US-Wirtschaft weiter zu verstärken. In der Außenpolitik bezeichnete er das Ausbremsen von Kreml-Chef Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine sowie die Beendigung des Gazakrieges als Prioritäten. Für Donnerstag stand ein Treffen Bidens mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf dem Programm, der am Vortag eine Rede vor dem US-Kongress gehalten hatte.

Während seiner Ansprache war Biden im Oval Office von dem größten Teil seiner Familie umgeben, darunter First Lady Jill Biden, sein Sohn Hunter, die Tochter Ashley und mehrere Enkelkinder. Jill Biden dankte nach der Rede in einer Botschaft auf der Onlineplattform X „denen, die nie gewankt haben“ und „die sich geweigert haben zu zweifeln“ – was offenbar als Spitze gegen jene in der Demokratischen Partei gemeint war, die Biden zum Kandidaturverzicht gedrängt hatten.

Trump, der nach dem auf ihn verübten Attentat am 13. Juli kurzzeitig für die Überwindung der extremen Polarisierungen im Land plädiert hatte, verbreitete nach Bidens Rede seinen üblichen Hohn über den Präsidenten: „Die Oval-Office-Rede des betrügerischen Joe war kaum verständlich und sooo schlecht!“ schrieb der 78-Jährige in einer Onlinebotschaft.

Bei einem Wahlkampfauftritt verstärkte Trump zudem seine Attacken auf Harris, die auf die Nominierung als neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zusteuert. Bei der Kundgebung im Bundesstaat North Carolina beleidigte der Republikaner die Vizepräsidentin als „linksradikale Verrückte, die unser Land zerstören wird“.