Als Stiefgroßvater erschleicht er sich das Vertrauen der Enkeltöchter seiner Ehefrau. Der Mann führt über 20 Jahre lang ein Doppelleben – der nette Opa einerseits, der Missbrauchstäter andererseits.
Wegen jahrelangen Missbrauchs der Enkeltöchter seiner Ehefrau ist ein 73-Jähriger zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Berliner Landgericht sah 74 sexuelle Übergriffe über einen Zeitraum von rund 20 Jahren als erweisen an. Betroffen seien fünf Mädchen. Sie seien bei den ersten Übergriffen drei bis fünf Jahre alt gewesen. „Er führte ein Doppelleben – netter Opa und böser Missbrauchstäter“, sagte der Vorsitzende Richter Ralf Vogl über den 73-Jährige. Dieser habe Vertrauen ausgenutzt. „Die ganze Familie ist zerstört.“
Der geständige Angeklagte wurde unter anderem des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, des Missbrauchs von Schutzbefohlenen sowie des Missbrauchs von Widerstandsunfähigen schuldig gesprochen. Er habe 1999 seine jetzige Ehefrau geheiratet und dann im engsten Familienkreis agiert, hieß es im Urteil. Gezielt und manipulativ sei er vorgegangen, um seine pädophile Neigung ausleben zu können.
Etwa 2000/2001 sei es zu ersten sexuellen Übergriffen auf zwei Schwestern gekommen. Sie seien drei und fünf Jahre alt gewesen. Seine Taten und Fantasien habe der Mann über die Jahre notiert und sich eingeredet, es sei nicht so schlimm
Gericht: Keine Voraussetzung für Sicherungsverwahrung
Der Sohn der Ehefrau des Angeklagten hatte mit einer Strafanzeige die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Zwei seiner Töchter hätten erklärt, der Opa würde sie im Intimbereich anfassen und habe gesagt, „dass das ganz normal sei“, schilderte der Vater von drei der betroffenen Kinder als Zeuge im Prozess. „Ich war entsetzt.“ Sein Stiefvater sei wie ein Freund gewesen – „nett zu den Kindern, nett zu uns, hilfsbereit, zuvorkommend, nie hätte jemand an so etwas gedacht“. Durch die Taten herrsche in der Familie eine „Katastrophe“.
Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Haft gefordert. Zudem beantragte die Anklagevertreterin vorbehaltene Sicherungsverwahrung. Dem folgte das Gericht nicht. Laut einem Sachverständigen werde der Angeklagte nach Haftentlassung keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, hieß es im Urteil. Das wäre jedoch Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungsverwahrung. Der 73-Jährige habe in einem engen familiären Rahmen agiert, es habe zwischendurch auch Pausen von bis zu fünf Jahren gegeben. Kindern außerhalb der Familie habe sich der Mann nicht genähert.
Kinderpornografie-Dateien auf Festplatten gefunden
Bei einer Durchsuchung der damaligen Wohnung des Angeklagten in Berlin-Zehlendorf im April 2023 wurden den Ermittlungen zufolge auf Festplatten mehr als 1.000 kinderpornografische Bilddateien sowie zahlreiche verbotene Videos gefunden. Seit Februar 2024 befindet sich der gelernte Elektriker in Untersuchungshaft. Die Anklage ging zunächst von 110 Taten aus. Der Verteidiger des 73-Jährigen hatte auf eine deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft liegende Strafe plädiert, allerdings keinen konkreten Antrag gestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.