Zum abendlichen Schmökern im Bett ist er eher ungeeignet und als Landkarte für den Beifahrer wohl zu unhandlich: der 360 Jahre alte Rostocker Große Atlas. Immerhin wiegt er 120 Kilogramm.
Der Rostocker Große Atlas macht seinem Namen alle Ehre. Zum Umblättern der Seiten braucht es zwei Personen mit weißen Handschuhen und zum Tragen noch mehr. Das von Herzog Christian I. Louis von Mecklenburg-Schwerin 1664 bestellte kartographische Werk ist 1,66 Meter hoch und im aufgeschlagenen Zustand mehr als zwei Meter breit. „Es sammelt das Wissen der Welt“, sagt Steffen Stuth, Leiter des Kulturhistorischen Museums.
Dort ist der Atlas seit zweieinhalb Wochen unter Glas in einer Vitrine zu sehen. Aus konservatorischen Gründen wird das Buch nur äußerst selten ausgestellt, zuletzt vor zehn Jahren. Es gibt nur noch zwei weitere derartige große Atlanten – den Klencke-Atlas des englischen Königs Karl II. in der British Library in London sowie den Mauritius-Atlas des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg in der Berliner Staatsbibliothek.
Der Rostocker Atlas mit seinen 32 aufwendig gestalteten Karten gehört zum Bestand der Rostocker Universitätsbibliothek, wo er in einem abgedunkelten und voll klimatisierten Raum im Depot gelagert wird. Die Papier-Seiten wiegen teilweise über ein Kilogramm. Zum Glück sind die Karten digitalisiert und die Museumsbesucher können sie an einem Bildschirm neben dem Original beliebig per Zoom vergrößern.
Zu sehen ist die ganze Welt, nicht nur kartographisch. Die Karten aus dem 17. Jahrhundert verorten in Brasilien Menschenfresser, die entsprechend auf den Karten dargestellt werden. Die Deutschlandkarte ist umrahmt von den Kurfürsten und viele Seiten enthalten einordnende Informationstexte auf Latein oder Französisch. Für die immens teuren Karten seien die besten Kupferstecher und die besten Kartographen am Werk gewesen, so die Ausstellungsmacher.
Zu sehen ist der Atlas bis 6. Oktober im Rahmen der Sonderausstellung „Christian I. Louis zu Mecklenburg und ein Bild von der Macht“. Der Herzog hatte sich das Sammelwerk aus Statusgründen anfertigen lassen, um sich damit zu profilieren. „Es könnte sogar sein, dass er keinen Blick in den Atlas geworfen hat“, sagt Stuth. Der Herzog habe Mecklenburg aus der Kutsche regiert. Die Ferne lag ihm näher als die Heimat.