Bereits kurz nach dem Ausstieg von US-Präsident Joe Biden aus dem Präsidentschaftswahlkampf haben sich zahlreiche Demokraten hinter Vizepräsidentin Kamala Harris als Ersatzkandidatin versammelt. Am Montag erhielt die 59-Jährige Rückendeckung weiterer einflussreicher Politiker in der Partei. Sie sei „begeistert von der Idee, die Kandidatur von Kamala Harris zu unterstützen“, erklärte die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer. Auch die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sicherte Harris ihre Unterstützung zu.
Whitmer zählte zu den Politikerinnen, die bei einem Verzicht von Amtsinhaber Joe Biden als Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur gehandelt worden waren. „Lasst uns gewinnen“, hieß es nun in ihrer Erklärung, die auch von den Gouverneuren der Bundesstaaten Illinois, Minnesota und Wisconsin unterzeichnet wurde. Auch der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, sprach sich für Harris aus.
Mit Pelosi stellte sich wenig später ein weiteres Schwergewicht bei den Demokraten hinter Harris. „Mit großem Stolz und grenzenloser Zuversicht für die Zukunft unseres Landes unterstütze ich die Kandidatur der Vizepräsidentin Kamala Harris für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten“, erklärte die einflussreiche Politikerin.
Am Sonntag hatte der 81-jährige Biden aus Gesundheitsgründen den Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärt und seiner Vizepräsidentin seine „volle Unterstützung“ dafür ausgesprochen, bei der Wahl im November gegen den Republikaner Donald Trump anzutreten. Harris selbst erklärte, sie wolle die Nominierung „verdienen und gewinnen“.
Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach Bidens Rückzug ging die 59-Jährige jedoch nicht auf ihren plötzlichen Aufstieg zur möglichen Präsidentschaftskandidatin ein. Stattdessen würdigte sie bei der Veranstaltung im Weißen Haus Bidens Vermächtnis als „unübertroffen in der modernen Geschichte“.
In den Umfragen kam die einstige Senatorin bislang nur auf niedrige Zustimmungswerte. Insbesondere zu Beginn ihrer 2021 begonnenen Amtszeit als Vizepräsidentin hatte Harris Schwierigkeiten, an Profil zu gewinnen. Im Wahlkampf hatte sie indes bereits an Bidens Seite mit Auftritten zu zentralen Themen wie dem Abtreibungsrecht gepunktet.
Zu Harris Unterstützern zählen schon jetzt viele einflussreiche Persönlichkeiten der Partei, darunter die ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihr Mann, Ex-Präsident Bill Clinton.
Auch rund ein Drittel der demokratischen Senatoren, die bekannte Parteilinke Alexandria Ocasio-Cortez, Verkehrsminister Pete Buttigieg und mehrere Gouverneure sprachen sich für Harris aus – darunter die Regierungschefs von Kalifornien und Pennsylvania, Gavin Newsom und Josh Shapiro, die selbst als Biden-Alternativen gehandelt worden waren.
Finanziell machte sich die breite Unterstützung für die Vizepräsidentin bereits bemerkbar: Ihr Wahlkampfteam meldete, dass Harris seit Ankündigung ihrer Bewerbung bereits 49,6 Millionen Dollar (rund 45 Millionen Euro) an Spenden erhalten habe.
Die Demokraten bereiten sich nun dreieinhalb Monate vor der US-Präsidentschaftswahl auf ein Nominierungsverfahren im Eiltempo vor. Der Parteivorsitzende der Demokraten, Jaime Harrison, kündigte einen „transparenten und geordneten Prozess“ für die Nominierung an.
Wie genau diese ablaufen soll, ist jedoch noch offen: Ernannt wird der Kandidat von den Delegierten des demokratischen Parteitags, der vom 19. bis 22. August in Chicago stattfindet. Grundlage für ihr Votum sind eigentlich die Ergebnisse der Vorwahlen in den US-Bundesstaaten – die Biden haushoch gewonnen hatte. Die Delegierten stehen nun vor der Frage, für wen sie sich alternativ entscheiden sollen.
Möglicherweise findet die Abstimmung über den Kandidaten nun schon vor dem Parteitag in digitaler Form statt. Die Demokraten könnten so eine einmonatige Debatte bis zum Parteitag vermeiden und zudem ein mögliches rechtliches Problem im wichtigen Bundesstaat Ohio vermeiden: Dort könnte eine Frist bis zum 7. August für die Benennung der Präsidentschaftskandidaten gelten, die Gesetzeslage dazu ist aber nicht ganz klar.
Durch Bidens Kehrtwende könnte die Präsidentschaftswahl am 5. November eine völlig neue Dynamik bekommen: Statt der bei den US-Bürgern unbeliebten Wiederauflage des Duells zwischen Trump und Biden von 2020 erscheint einer der spannendsten Präsidentschaftswahlkämpfe der jüngeren US-Geschichte möglich.
Der Kandidat der Republikaner, Ex-US-Präsident Trump, muss seinen auf Biden und dessen Alter und körperliche Gebrechlichkeit fokussierten Wahlkampf neu ausrichten. Zudem ist der 78-Jährige nach Bidens Ausstieg nun selbst der älteste nominierte Präsidentschaftskandidat der US-Geschichte.